Wir erwähnen die Firmenstrukturen nur kurz, pfeifen dann gleich drauf und widmen uns dem Namen in all seiner Würde alleine. Nun denn: Die Maybach-Motorenbau GmbH fertigte von 1906 bis 1966 Motoren für Luftschiffe, Flugzeuge und Autos, von 1921 bis 1941 auch die dazu passenden Automobile, und es sollten ungefähr die erlesensten der Welt sein; von 2002 bis 2012 reanimierte Mercedes den Namen für die Maybach-Manufaktur, in der Limousinen von staatstragendem Auftritt entstanden; seit 2014 gilt Mercedes-Maybach als Ergänzungsmarke von Mercedes-Benz – ein Wort, das den Klang-Connoisseur erschreckt, zumal ihm die dick gepolsterte Würde vergangener Jahrzehnte schmerzlich abgeht. Ergänzungsmarke klingt ein wenig nach Vitaminkonzentrat und Mineralstofftabletten, bitte das Kopfkino gleich wieder ausschalten.
Man kann derlei Gedanken aber auch einfach beiseiteschieben und sich am ersten Sport-Maybach der Neuzeit erfreuen, es sei denn, man ist Chauffeur: Der wird im Maybach-Mercedes SL 680 Monogram Series nämlich schneller arbeitslos, als der Chef oder die Chefin von null auf hundert beschleunigen können, und das dauert nur 4,1 Sekunden. Zwei Sitze reichen, die 585 PS aus dem 4,0-Liter-Biturbo-V8 natürlich auch, außen besticht die Zweifarben-Lackierung mit tiefem Glanz, drinnen gibt’s kristallweißes Nappaleder, es wird ja niemand mit fragwürdigem Hosenboden einsteigen. Die Sitze sind floral abgesteppt, Zierteile in Silberchrom und die galvanisierten Rückseiten der Sitze kontrastieren mit metallischem Glanz, darüber hinaus werden individuelle Wünsche natürlich erhört, und wer den feinen Geschmack fahrlässig verbiegen will, bekommt persönliche Beratung.
Maybach und Daimler
Dass Maybach heute bei Mercedes residiert, ist historisch wasserdicht abgesichert. Immerhin konstruierten Gottlieb Daimler (1834–1900) und Wilhelm Maybach (1846–1929) gemeinsam das, was zumindest aus deutscher Sicht als erstes Automobil der Welt gilt. Hernach gründeten sie die Daimler-Motoren-Gesellschaft, und als Herr Jellinek 1901 einen Rennwagen begehrte und nach seiner Tochter Mercedes benannte, konstruierte Maybach das Auto. Man nannte ihn bald den König der Konstrukteure.



Der Rauswurf des Königs
Das Verhältnis von Mercedes und Maybach überdauerte die Jahrzehnte allerdings nicht ganz friktionsfrei: Nach Gottlieb Daimlers Tod wurde Maybach aus jener Firma rausgemobbt, die später zu Daimler-Benz werden sollte. Man versteht das Ansinnen seines Sohnes Karl Maybach (1879–1960), fortan die besseren Motoren zu konstruieren. Es gelang, seine Maybach-Motorenwerke fertigten ab 1921 Triebwerke für Zeppelin-Luftschiffe, Expresszüge und Automobile, und die Autos um die Motoren herum fertigte Maybach auch. Rund 1.800 fanden bis 1941 ihre Kunden unter den Reichsten der damaligen Zeit, der gewiss exklusivste Maybach der frühen Jahre ging an den Kaiser von Abessinien. Das Automobil war außen golden (wir tippen auf Echtgold), innen erfreuten Edelsteine, und der Kaiser zahlte 128.000 Mark. Heute wären das zwei Millionen Euro, da kann Maybach neu noch was lernen.
Bis zum versöhnlichen Ende
Im Krieg wurde Maybachs Autowerk zerstört, durch die Friedenszeiten rettete sich die Firma mit Industriemotoren. Die fielen auch bei Daimler-Benz auf, 1966 übernahm man Maybach und änderte 1969 den Namen auf MTU. Motoren- und Turbinen-Union Friedrichshafen, wieder war die Familie Maybach demütigend aus der Erinnerung getilgt. Man hielt aber noch kleine Anteile und entsandte Karl Maybachs Tochter Irmgard Schmid-Maybach (1923–2020) in den Aufsichtsrat. Die Dame kämpfte mit zarter Zurückhaltung um den Namen ihres Vaters und ihres Großvaters, so leicht aber ließ sich Mercedes nicht davon überzeugen, die Geschichtsschreibung ein wenig verbogen zu haben. Da kamen erst Jahrzehnte später die Oldtimersammler zu Hilfe, langsam bemerkte auch DaimlerChrysler, welches Juwel von Markennamen in der Firma schlummerte, und Jürgen Schrempp (Vorstandsvorsitzender DaimlerChrysler) und Jürgen Hubbert (Verantwortlicher Mercedes Car Group) sprangen über ihre Schatten. Als 2002 Maybach 57 und 62 aus der neu gegründeten Maybach-Manufaktur kamen, war Irmgard Schmid-Maybach eine gerne gesehene Markenbotschafterin, versöhnliches Ende eines langen Streits.



Die Maybach-Manufaktur
Dass Maybach 57 und 62 (5,70 beziehungsweise 6,20 Meter lang, auch der Kleine war also eine stattliche Erscheinung) in nur zwei Jahren fertig waren, lag vor allem an Hermann Gaus. Der Mercedes-Techniker (beziehungsweise seine Frau) musste erst liebevoll davon überzeugt werden, den Pensionsantritt noch ein wenig aufzuschieben, dann konstruierte er sich an praktisch alle Superlative heran. Zum Beispiel: 5,5-Liter-Biturbo-V12 mit 550 PS, Luftfederung, elektrotransparentes Glas-Panoramadach, zwei Monitore und bis zur Liegestellung dienstbare Sitze im Fond, drei Telefone (2002 hatten ja noch nicht alle ein Handy). Die Geräuschdämmung aber war Hermann Gaus’ Spezialdisziplin: Hunderte Stunden mit Spezialmikrophonen im Aero-Akustikkanal ließen ein so unglaublich leises Auto reifen, dass weder Technik- noch Abrollgeräusche zu vernehmen waren. Wer startete, bemerkte den Ruhepuls des V12 nur am Drehzahlmesser. Der eigentliche Luxus aber fokussierte auf die Innenraumgestaltung, und die Kunden durften mitreden. Natürlich verriet Maybach nie, wer die Grenze des Machbaren bis zur persönlichen Geschmacksberatung gedehnt hatte, eine Anfrage nach Vergoldung der Karosserie ist verbrieft. Ob die 20 Kilogramm Echtgold jemals aufgetragen wurden, ist nicht überliefert.
Ein paar Monate war der Maybach ohne Konkurrenz, dann betrat auch der erste Rolls-Royce unter BMWs Regentschaft die Bühne. Es gab ausreichend Reiche für beide.
Weil die meisten Kunden in den USA vermutet wurden, reiste der Maybach 62 als Erstgeborener (der 57 kam mit dezenter Verspätung nach) in Klarsichthülle, also in einem Glascontainer, an Deck der Queen Elizabeth 2 von Southampton nach New York. Die Schiffspassage war einem banalen Flug über den Atlantik eindeutig an Noblesse überlegen, am Ziel chauffierte ein Profi den Konstrukteur Hermann Gaus direkt ins Regent Hotel an der Wall Street. Nicht zum Einchecken, sondern zur offiziellen Präsentation.
Drehmoment-Weltrekord
Noch mehr wurde vor 23 Jahren natürlich das Selberfahren hoch geschätzt. 900 Newtonmeter Drehmoment galten damals als Weltrekord, solcherart konnte man sich aus dem Fußgelenk in 5,2 Sekunden von null auf hundert katapultieren, im Prä-Elektrikum wäre damit auch ein Supersportwagen ehrwürdig abgezischt. Der Maybach 57 natürlich auch: ganz ohne Drama, ohne Gerupfe oder Gequietsche. Eher nach Art des Raumschiffs, hinten gab’s Vorhänge und Liegesitze, und wenn der Chef ermattete, dann konnte er hochgelagerten Fußes schlummern.

Maybach-Mercedes
Nach zehn Jahren beendete Mercedes die Produktion, erst 2014 kam der edle Name wieder in die Schauräume. Diesmal nicht mehr als eigene Marke, sondern als oberste Ausstattungslinie, natürlich zuerst für die nochmals verlängerte Langversion der S-Klasse.
Mittlerweile sind auch ein paar Tabus gekippt: Seit 2020 gibt’s mit dem GLS 600 das erste Serien-SUV von Maybach-Mercedes (das G 650 Landaulet um knapp 750.000 Euro war 2017 auf 99 Stück limitiert, sie parken sicher auf rotem Samt); seit Frühling 2023 ist mit dem EQS SUV das erste Elektromodell von Mercedes-Maybach flügge, kürzlich kam der Maybach-Mercedes SL. Er trägt auch wieder einen aufrecht aufragenden Mercedesstern auf der Motorhaube, ein von den floral abgesteppten Ledersitzen aus gut sichtbarer Orientierungspunkt im Leben. Soll noch einmal wer sagen, heute würde alles immer schlechter.