BMW- und Jaguar-Land-Rover-Veteran Wolfgang Ziebart will es noch einmal wissen: Anfang 2026 bringt er das dreirädrige Elektrofahrzeug XYTE ONE auf den Markt. Es vereint die Agilität eines Rollers mit der Sicherheit eines Autos – und soll die urbane Mobilität revolutionieren.
Text: Uschi Sorz
Früher konnte man ins Zentrum von Paris frei mit dem Auto fahren, in London gab es keine City-Tax und in jeder Metropole ausreichend Parkplätze“, zählt Wolfgang Ziebart auf. Und klar: Diese Zeiten sind vorbei. Den Eindruck, ihnen nachzutrauern, macht der Automotive-Profi und ehemalige Industriemanager nicht. Dass er Besseres zu tun hat, wurde spätestens bei der im September abgehaltenen Leistungsschau IAA Mobility in München deutlich, wo er persönlich den serienreifen Prototyp seines neuesten Fahrzeug-Babys namens XYTE ONE präsentierte. „Wir wollen das Verständnis urbaner Mobilität neu definieren“, so die begleitende Ansage. Wir, das ist das Team der XYTE mobility GmbH mit Sitz im bayerischen Starnberg. Ziebart hat sie gegründet, um den Stadtverkehr im Zeichen der Mobilitätswende gehörig mitzugestalten. Kein typisches Start-up, wohlgemerkt. „Unser Durchschnittsalter beträgt 70 Jahre, unser Karosserieentwickler Klaus Gersmann beispielsweise ist 78“, schildert Ziebart verschmitzt. „Dies ist extrem nützlich in der jetzigen Phase der Entwicklung und Industrialisierung, da jeder von uns Jahrzehnte der Automobilerfahrung mitbringt. Wir lernen also nicht auf Kosten unserer Shareholder.“
Von BMW über Jaguar Land Rover bis Rolls-Royce haben Ziebarts Mitstreiter hochkarätige Namen im Portfolio stehen. Auch der 75-Jährige selbst hat den größten Teil seines Berufslebens in der Automobilindustrie zugebracht. 23 Jahre BMW, dann Continental AG, später Jaguar Land Rover. Dazwischen Infineon. Überall im Vorstand. Seit 2009 ist er in mehreren Aufsichtsräten, unter anderem beim Windturbinenhersteller Nordex sowie bei den Autozulieferern Webasto und Forvia. Den Jaguar I-Pace – ein 2018 lancierter, mittlerweile eingestellter Elektro-SUV des britischen Luxus- und Sportwagenherstellers – hat er nach seiner offiziellen Pensionierung aus der Taufe gehoben. Die Entwicklung von Autos sei wie eine Droge, verriet er danach dem Magazin „auto touring“ des ÖAMTC.
Verkehrswende als Momentum
Womit der promovierte Maschinenbauer, der die Finger nicht von der Fahrzeugentwicklung lassen kann, nun aber den Markt revolutionieren will, ist kein Auto. Der XYTE ONE ist – kurz gefasst – eine Art Hybrid mit E-Motorrad- und E-Auto-Eigenschaften. Die Optik: ein überdachter dreirädriger Roller. Was ist das Innovative an ihm und vor allem: Warum treibt
ihn Ziebart mit spürbarer Verve voran? „Autos sind großartige Produkte, aber sie haben definitiv keine Zukunft in den Städten“, sagt er. So komme man da angesichts der schieren Masse an Verkehrsteilnehmern schlicht nicht mehr vorwärts. Kickscootern, E-Bikes oder Motorrädern gelinge dies natürlich besser, doch es gebe eine Crux: „Die Wahrscheinlichkeit von schweren oder gar tödlichen Unfällen ist um das 25-Fache höher, als wenn man dieselben Distanzen im Auto zurücklegt.“ An diesem Punkt habe er mit seinem Team einhaken wollen. Denn neben Fahrzeugen sei auch Sicherheit eines seiner Lebensthemen. „Als ich drei Jahre alt war, hatte mein Vater mit mir hintendrauf einen Motorradunfall, was in einer Kopfverletzung resultierte“, skizziert er einen prägenden Moment. Daher habe es ihn schon lange interessiert, wie man die Größe eines Mopeds mit der Sicherheit eines Autos zusammenbringen könne.
Eine Vision, für welche die Zeit nun einfach reif gewesen sei. Zumindest, um ihr den letzten Schliff zu geben, denn ganz neu ist sie nicht. Sie zeigte sich schon vor 25 Jahren einmal im BMW C1, an den der XYTE ONE auf den ersten Blick auch erinnert. Unabhängig von BMW tritt dieser gewissermaßen als verbesserte und evaluierte Version des Vorläufers auf, den Ziebart und seine Crew von früher natürlich in- und auswendig kennen. Allerdings war der BMW C1 aus dem Jahr 2000 kein Kassenschlager und hat sich nur drei Jahre am Markt gehalten. „Er war seiner Zeit voraus“, winkt Ziebart ab. „Die Voraussetzungen und Notwendigkeiten haben sich geändert. Heutige Stadtplaner haben die Lebensqualität der Menschen und Emissionsfreiheit im Blick.“ Den BMW C1 verteidigt er: „Immerhin haben sich unsere Investitionen in Entwicklung und Fertigung damals amortisiert.“ Beim XYTE ONE sei er jedenfalls sehr zuversichtlich. „Wir glauben, dass er genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.“

Von Europa in die Welt
Der Markteintritt erfolgt zu Beginn 2026, wobei von einer anfänglichen City-to-City-Strategie zügig auf die gesamte EU übergegangen werden soll. Es gebe bereits zahlreiche Vorbestellungen. „2026 werden wir den vollen Fokus auf den Produktionshochlauf und die Anlaufqualität legen, anschließend auf die Erweiterung unseres Händlernetzes auf weitere europäische Metropolenregionen“, so Ziebart. „Mittelfristig werden wir den US-Markt erschließen, vor allem Kalifornien und die Ostküste.“ Das Fahrzeug sei heute schon so ausgelegt, dass es eine US-Zulassung erhalten sollte, die Höchstgeschwindigkeit von etwa 110 km/h erlaube dann auch ein Fahren auf dem Highway.


Neue Fahrzeugkategorie & Stilikone
Denn ja, die Standards aus dem Automobilbau, die beim XYTE ONE wirksam werden, machen ihn ziemlich schnell, zugleich ist die Sicherheitszelle samt Gurt so konzipiert, dass das Tragen eines Helms unnötig ist. Einzige Bedingung: ein Pkw-Führerschein. Hauptzielgruppe sind Menschen, die aus den Vorstädten in die Stadtzentren pendeln. Diese bräuchten die Geschwindigkeit. Vor allem aber fänden sie damit leichter einen Parkplatz und zählten nicht mehr wie bisher zu den Hauptverursachern von Staus, in denen sie dann selber steckten. „Er ist eine neue Fahrzeugkategorie“, betont Ziebart.
„Urban, sauber, sicher, nachhaltig und stilvoll.“ Wie wichtig ihm auch Letzteres ist, konnte man gut in einem Videointerview mit dem „MOTION Magazine“ sehen, wo er mit funkelnden Augen postulierte: „Man soll ein Produkt nicht nur aus rationalen Gründen kaufen, das Produkt muss Spaß machen.“ Darum habe der XYTE ONE selbstverständlich hübsch ausschauen müssen, sonst hätte er sich nicht darauf eingelassen.
Wie lange er bei XYTE mobility selbst am Steuer bleibt? „Es wird nach dem Produktionsstart sicher zielführend sein, Funktionen mit jüngeren Mitarbeitern zu besetzen“, stellt er klar. Doch sei es auch jetzt keineswegs so, dass er seinen Ruhestand nicht genieße. Er sehe ihn nur nicht als Dauerurlaub. „Die einzige Form irdischen Glücks ist das Gefühl der Produktivität“, zitiert er Carl Zuckmayer. Man sollte in jedem Alter etwas Sinnvolles tun. „In meinem Fall ist das eben die Entwicklung
eines Fahrzeugs, das ich für sehr sinnvoll halte und für das es bisher keinen Hersteller gibt.“ Und womit bewegt er sich privat am liebsten fort? „Mit dem Jaguar I-Pace“, kommt die spontane Antwort. „Denn dadurch, dass ich diesen ersten vollelektrischen Jaguar seinerzeit entwickelt habe, verbirgt sich für mich hinter jeder Komponente eine Geschichte.“
Info
XYTE ONE
Einstiegspreis: ca. 12.900 Euro
Am Markt: ab 2026
Die wichtigsten Highlights:
- dreirädrige, vollelektrische Architektur
- Sicherheitszelle für helmfreies Fahren
mit maximalem Schutz (Aluminium-
Spaceframe wie im Motorsport) - 4-Punkt-Gurt mit Doppelaufrollern
und elektronischer Verriegelung - Bremssystem: 3-Kanal-ABS, 240-mm-Bremsscheiben an allen Rädern
- Reichweite: 112 km (WMTC)
mit einer Akkuladung - 19 kW Spitzenleistung
- elektronisch begrenzte Höchst-
geschwindigkeit von rd. 100 km/h - maximale Kapazität der Batterie:
7,6 kWh, Ladezeit 3,6 Std. - Gewicht (ohne Fahrer, mit Batterie): 206 kg
- maximale Belastung: 330 kg
- Kofferraumgröße: 72 l (40/30/60 cm)