Start-up – Sicher mit Stil

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Zur Person: Der Maschinenbauer Dr. Wolfgang Ziebart war zwischen 1977 und 2000 bei BMW tätig, zuletzt im Vorstand. Danach wurde er in den Vorstand der Continental AG berufen, zum CEO von Infineon und in den Vorstand von Veoneer bestellt. Er ist in mehreren Aufsichts­räten tätig und konzipierte als Director Technical Design bei Jaguar Land Rover den I-Pace. Am 1. Jänner 2025 gründete er mit Branchenexperten die XYTE mobility GmbH zur ­Entwicklung kompakter elektrischer Fahrzeuge einer neuen Kategorie.

BMW- und Jaguar-Land-Rover-Veteran Wolfgang Ziebart will es noch einmal wissen: Anfang 2026 bringt er das dreirädrige Elektrofahrzeug XYTE ONE auf den Markt. Es vereint die Agilität eines Rollers mit der Sicherheit eines Autos – und soll die urbane Mobilität revolutionieren.
Text: Uschi Sorz

Früher konnte man ins Zen­trum von Paris frei mit dem Auto fahren, in London gab es keine City-Tax und in jeder Metropole ausreichend Parkplätze“, zählt Wolfgang Ziebart auf. Und klar: Diese Zeiten sind vorbei. Den Eindruck, ihnen nachzutrauern, macht der Automotive-Profi und ehemalige Industriemanager nicht. Dass er Besseres zu tun hat, wurde spätestens bei der im September abgehaltenen Leistungsschau IAA Mobility in München deutlich, wo er persönlich den serienreifen Prototyp seines neuesten Fahrzeug-Babys namens XYTE ONE präsentierte. „Wir wollen das Verständnis urbaner Mobilität neu definieren“, so die begleitende Ansage. Wir, das ist das Team der XYTE mobility GmbH mit Sitz im bayerischen Starnberg. Ziebart hat sie gegründet, um den Stadtverkehr im Zeichen der Mobilitätswende gehörig mitzugestalten. Kein typisches Start-up, wohlgemerkt. „Unser Durch­schnittsalter beträgt 70 Jahre, unser Karosserieentwickler Klaus Gersmann beispielsweise ist 78“, schildert Ziebart verschmitzt. „Dies ist extrem nützlich in der jetzigen Phase der Entwicklung und Industrialisierung, da jeder von uns Jahrzehnte der Automobilerfahrung mitbringt. Wir lernen also nicht auf Kosten unserer Shareholder.“

Von BMW über Jaguar Land Rover bis Rolls-Royce haben Ziebarts Mitstreiter hochkarätige Namen im Portfolio stehen. Auch der 75-Jährige selbst hat den größten Teil seines Berufslebens in der Automobilindustrie zugebracht. 23 Jahre BMW, dann Continental AG, später Ja­guar Land Rover. Dazwischen Infineon. Überall im Vorstand. Seit 2009 ist er in mehreren Aufsichtsräten, unter anderem beim Windturbinenhersteller Nordex sowie bei den Autozulieferern Webasto und Forvia. Den Jaguar I-Pace – ein 2018 lancierter, mittlerweile eingestellter Elektro-SUV des britischen Luxus- und Sport­wagenherstellers – hat er nach seiner offiziellen Pensionierung aus der Taufe gehoben. Die Entwicklung von Autos sei wie eine Droge, verriet er danach dem Magazin „auto touring“ des ÖAMTC.

Verkehrswende als Momentum

Womit der promovierte Maschinen­bauer, der die Finger nicht von der Fahrzeug­entwicklung lassen kann, nun aber den Markt revolutionieren will, ist kein Auto. Der XYTE ONE ist – kurz gefasst – eine Art Hy­brid mit E-Motorrad- und E-Auto-Eigenschaften. Die Optik: ein überdachter dreirädriger Roller. Was ist das Innovative an ihm und vor allem: Warum treibt
ihn Ziebart mit spürbarer Verve vo­ran? „Autos sind großartige Produkte, aber sie haben definitiv keine Zukunft in den Städten“, sagt er. So komme man da angesichts der schieren Masse an Verkehrsteilnehmern schlicht nicht mehr vorwärts. Kick­scootern, E-Bikes oder Motorrädern gelinge dies natürlich besser, doch es gebe eine Crux: „Die Wahrscheinlichkeit von schweren oder gar tödlichen Unfällen ist um das 25-Fache höher, als wenn man dieselben Distanzen im Auto zurücklegt.“ An diesem Punkt habe er mit seinem Team einhaken wollen. Denn neben Fahrzeugen sei auch Sicherheit eines seiner Lebensthemen. „Als ich drei Jahre alt war, hatte mein Vater mit mir hintendrauf einen Motorradunfall, was in einer Kopfverletzung resultierte“, skizziert er einen prägenden Moment. Daher habe es ihn schon lange interessiert, wie man die Größe eines Mopeds mit der Sicherheit eines Autos zusammenbringen könne.

Eine Vision, für welche die Zeit nun einfach reif gewesen sei. Zumindest, um ihr den letzten Schliff zu geben, denn ganz neu ist sie nicht. Sie zeigte sich schon vor 25 Jahren einmal im BMW C1, an den der XYTE ONE auf den ersten Blick auch erinnert. Unabhängig von BMW tritt dieser gewissermaßen als verbesserte und evaluierte Version des Vorläufers auf, den Ziebart und seine Crew von früher natürlich in- und auswendig kennen. Allerdings war der BMW C1 aus dem Jahr 2000 kein Kassenschlager und hat sich nur drei Jahre am Markt gehalten. „Er war seiner Zeit voraus“, winkt Zie­bart ab. „Die Voraussetzungen und Notwendigkeiten haben sich geändert. Heutige Stadtplaner haben die Lebensqualität der Menschen und Emissionsfreiheit im Blick.“ Den BMW C1 verteidigt er: „Immerhin haben sich unsere Investitionen in Entwicklung und Fertigung damals amortisiert.“ Beim XYTE ONE sei er jedenfalls sehr zuversichtlich. „Wir glauben, dass er genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.“

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Der BMW C1 kam laut Ziebart zu früh. Für den XYTE ONE sei die Zeit jetzt aber reif.

Von Europa in die Welt

Der Markteintritt erfolgt zu Beginn 2026, wobei von einer anfänglichen City-to-City-Strategie zügig auf die gesamte EU übergegangen werden soll. Es gebe bereits zahlreiche Vorbestellungen. „2026 werden wir den vollen Fokus auf den Produktionshochlauf und die Anlauf­qualität legen, anschließend auf die ­Erweiterung unseres Händlernetzes auf weitere europäische Metropolenregionen“, so Ziebart. „Mittelfristig werden wir den US-Markt erschließen, vor allem Kalifornien und die Ostküste.“ Das Fahrzeug sei heute schon so ausgelegt, dass es eine US-Zulassung erhalten sollte, die Höchstgeschwindigkeit von etwa 110 km/h erlaube dann auch ein Fahren auf dem Highway.

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Das XYTE-Führungsteam (v. l. n. r.) Gianfranco Pizzuto, Dr. Wolfgang Ziebart, Christoph Walz sowie Axel Deicke, Klaus Gersmann (Bild rechts, rechts außen) mit ihrem ersten „Baby“.

Neue Fahrzeugkategorie & Stilikone

Denn ja, die Standards aus dem Automobilbau, die beim XYTE ONE wirksam werden, machen ihn ziemlich schnell, zugleich ist die Sicherheitszelle samt Gurt so konzipiert, dass das Tragen eines Helms unnötig ist. Einzige Bedingung: ein Pkw-Führerschein. Hauptzielgruppe sind Menschen, die aus den Vorstädten in die Stadtzentren pendeln. Diese bräuchten die Geschwindigkeit. Vor allem aber fänden sie damit leichter einen Parkplatz und zählten nicht mehr wie bisher zu den Hauptverursachern von Staus, in denen sie dann selber steckten. „Er ist eine neue Fahrzeugkategorie“, ­betont Ziebart.

„Urban, sauber, sicher, nachhaltig und stilvoll.“ Wie wichtig ihm auch Letzteres ist, konnte man gut in einem Videointerview mit dem „MOTION ­Magazine“ ­sehen, wo er mit funkelnden Augen postulierte: „Man soll ein Produkt nicht nur aus rationalen Gründen kaufen, das Produkt muss Spaß machen.“ Darum habe der XYTE ONE selbst­verständlich hübsch ausschauen müssen, sonst hätte er sich nicht darauf einge­lassen.

Wie lange er bei XYTE mobility selbst am Steuer bleibt? „Es wird nach dem Produktionsstart sicher zielführend sein, Funktionen mit jüngeren Mitarbeitern zu besetzen“, stellt er klar. Doch sei es auch jetzt keineswegs so, dass er seinen Ruhestand nicht genieße. Er sehe ihn nur nicht als Dauerurlaub. „Die einzige Form irdischen Glücks ist das Gefühl der Produktivität“, zitiert er Carl Zuckmayer. Man sollte in jedem Alter etwas Sinnvolles tun. „In meinem Fall ist das eben die Entwicklung
eines Fahrzeugs, das ich für sehr sinnvoll halte und für das es bisher keinen Hersteller gibt.“ Und womit bewegt er sich privat am liebsten fort? „Mit dem Jaguar I-Pace“, kommt die spontane Antwort. „Denn dadurch, dass ich diesen ersten vollelektrischen Jaguar seinerzeit entwickelt habe, verbirgt sich für mich hinter jeder Komponente eine Geschichte.“  

Info

XYTE ONE

Einstiegspreis: ca. 12.900 Euro

Am Markt: ab 2026

Die wichtigsten Highlights:

  • dreirädrige, vollelektrische Architektur
  • Sicherheitszelle für helmfreies Fahren
    mit ­maximalem Schutz (Aluminium-
    Spaceframe wie im Motorsport)
  • 4-Punkt-Gurt mit Doppelaufrollern
    und ­elektronischer Verriegelung
  • Bremssystem: 3-Kanal-ABS, 240-mm-­Bremsscheiben an allen Rädern
  • Reichweite: 112 km (WMTC)
    mit einer ­Akkuladung
  • 19 kW Spitzenleistung
  • elektronisch begrenzte Höchst-
    geschwindigkeit von rd. 100 km/h
  • maximale Kapazität der Batterie:
    7,6 kWh, Ladezeit 3,6 Std.
  • Gewicht (ohne Fahrer, mit Batterie): 206 kg
  • maximale Belastung: 330 kg
  • Kofferraumgröße: 72 l (40/30/60 cm)