Scheiden ohne Scheitern

Ein Eheversprechen ist schnell gemacht: „In guten wie in schlechten Zeiten.“ Doch was passiert, wenn Letztere nicht nur das Eheglück, sondern auch das gemeinsame Familienunternehmen torpedieren? Wie man den Liebesexit plant, ohne dass die Firma dabei untergeht.
Text: Uschi Sorz

Der beste Vertrag ist jener, der nie benötigt wird“, schickt Rechtsanwältin Birgit Leb voraus. „Nichtsdestotrotz ist es für Unternehmerpaare ­essenziell, an den Worst Case zu denken.“ Was heißt:

Eine rechtliche Meinung zu den potenziellen Folgen einer privaten Trennung für die Firma einzuholen, empfiehlt sich schon dann, wenn der Liebeshimmel noch voller Geigen hängt. Um dann schleunigst am juristischen Airbag für ein potenzielles Liebes-Aus zu basteln, egal ob es je Realität wird oder nicht. „Viele Ehegatten, die beruflich eng zusammenarbeiten und erfolgreich ein Unternehmen führen, verabsäumen es leider, entsprechende Verträge zum Schutz ihrer Rechtsposition abzuschließen, wie insbesondere Ehevertrag, Gesellschaftsvertrag oder Gewinnausschüttungsregelungen“, bedauert Leb. Nicht zuletzt darum wurde die Familienrechtsexpertin, die seit vielen Jahren inländische Unternehmer in derlei An­gelegenheiten berät, von einem Verlag gebeten, über die Gesetzgebung zu diesem Thema aufzuklären. Ihr Rechtsratgeber „Unternehmen und Ehe“ liegt mittler­weile in der zweiten Auflage vor und wird sowohl von Fachkollegen als auch von Laien genutzt (siehe Kasten).

Trennung mit Geschäftsplan

„Je besser eine Vereinbarung juristisch verfasst ist, desto mehr Nerven erspart man sich im Fall des Falles“, plädiert auch Franz Hartlieb, Professor für Unternehmensrecht an der Universität Klagenfurt, für Weitsicht. Denn streiten lasse sich über vieles. Wo Emotionen im Spiel seien, auch mutwillig. Gesetzlich seien Unternehmen jedoch recht gut geschützt und explizit von der Aufteilung in natura ausgenommen. Inklusive der ihnen zugehö­rigen Sachgüter. „Dadurch kann der Betrieb nicht an denjenigen Ehepartner fallen, dem er auch zuvor nicht gehört hat, oder womöglich samt den damit verbundenen Arbeitsplätzen gefährdet werden.“ Das­selbe gelte für Unternehmensanteile oder Dividenden aus dem Unternehmen, es sei denn, es handle sich um bloße Wertan­lagen. „Aktien, die vornehmlich der Ren­dite dienen, können durchaus in die Aufteilung fallen.“

Grundsatz der Billigkeit

Aber auch wenn nur ein Ehepartner ins Unternehmen involviert sei und in Österreich grundsätzlich Gütertrennung gelte, bedeute das nicht automatisch, dass der andere leer ausgehe, führt der Unternehmensrechtler aus. Vor allem nicht, wenn gemeinsame Ersparnisse in die Firma geflossen seien und der andere kräftig mitgearbeitet oder sogar für Kredite gebürgt habe. Das werfe schnell die Frage auf: Wer hat eigentlich wie viel zum Erfolg beigetragen? „Investiertes Geld, Know-how und Arbeitseinsatz kann sich der mitwirkende Ehegatte finanziell abgelten lassen. Aber auch inwiefern er während der Ehe vom Betrieb profitiert hat, etwa durch einen höheren Lebensstandard, wird wertmäßig berücksichtigt. Es ist immer eine Gesamtschau.“ Gerichte entscheiden hier nach dem „Grundsatz der Billigkeit“.

Spannend wird es bei Gewinnen. Entnimmt der unternehmerische Ehepartner etwas davon, um sich einen neuen Sportwagen zu gönnen, so ist das Privatvermögen – und wird aufgeteilt. Lässt er das Geld zur Reinvestition im Betrieb, bleibt das Kapital geschützt.

Birgit Leb, Expertin für Familienrecht:„Viele Unternehmer verabsäumen es leider, Verträge zum Schutz ihrer Rechtsposition abzuschließen.“
Birgit Leb, Expertin für Familienrecht:„Viele Unternehmer verabsäumen es leider, Verträge zum Schutz ihrer Rechtsposition abzuschließen.“
Franz Hartlieb, Univ.-Prof. für Unternehmensrecht:„Je besser eine Vereinbarung juristisch verfasst ist, desto mehr Nerven spart man im Fall des Falles.“
Franz Hartlieb, Univ.-Prof. für Unternehmensrecht:„Je besser eine Vereinbarung juristisch verfasst ist, desto mehr Nerven spart man im Fall des Falles.“

Die Werkzeuge der Profis

Und wie sieht es aus, wenn beide das Unternehmen führen, etwa fifty-fifty eine GmbH? „Dann sollte man unbedingt klare Vereinbarungen getroffen haben“, sagt Hartlieb. „Wer darf was entscheiden, was ist mit den Stimmrechten, wer steigt gegebenenfalls unter welchen Bedingungen aus? All das gehört vertraglich festgelegt.“ Ein wichtiges Instrument seien Aufgriffsrechte im Gesellschaftsvertrag. „Dabei wird einem Gesellschafter im Scheidungsfall ein Aufgriffsrecht hinsichtlich des anderen Geschäftsanteils eingeräumt.“ Solche Gestaltungen finden sich häufig in traditionellen Familien­unternehmen, die naturgemäß daran in­te­­ressiert sind, dass der angeheiratete Partner seinen Geschäftsanteil abtritt und der Betrieb in Familienhand bleibt. Zudem möchte man damit verhindern, dass ein allfälliger Rosenkrieg in die unter­nehmerische Sphäre eindringt und das Geschäft lahmlegt. Der Abtre­tungs­preis hängt von der Bewertung des Unter­nehmens ab. Jede Menge Verhand­lungs­bedarf also – der im ungünstigsten Fall vor Gericht landen kann.

Ist der zukünftige Ex-Partner kein Gesellschafter, böte sich dem unter­nehmerischen Partner noch die Mög­lichkeit einer Privatstiftung, um die Aufteilungsmasse kleiner zu halten. In die Stiftung eingebrachte gemeinsame Erspar­nisse blieben dann in der Stiftung und würden darüber hinaus wertmäßig nicht berücksichtigt. Das klappt aber nur, wenn dieses eheliche Vermögen mindestens zwei Jahre vor der Scheidung in die Stiftung eingebracht wurde und der Stifter nachweislich keinen starken Einfluss innerhalb der Stiftung ausüben kann.

Mediation statt Rosenkrieg

Übrigens: Ohne Trauring wird es noch komplizierter. „Während eingetragene Partnerschaften der Ehe gleichgestellt sind, fehlen für bloße Lebensgemeinschaften gesetzliche Regeln“, erklärt Hartlieb. Um Absicherung und Klarheit geht es demnach in allen Beziehungsmodellen. Da es allerdings selbst mit den besten Verträgen krachen kann, könnte auch Mediation eine Option sein. Denn wer gleich zum Richter läuft, kann auch verlieren – zumindest Nerven, Zeit und Geld, so Rechtsanwältin Leb. Bis zu einer gewissen Eskalationsstufe könnte das funktionieren, meint auch Universitätsprofessor Hartlieb. Denn ein neutraler Dritter kann unter Umständen helfen, den Rosenkrieg zu entschärfen, bevor er zur Unternehmenskrise wird. Manche Paare legen diese Möglichkeit sogar schon vorab fest. Fazit? Was für manche kühl und berechnend klingt, ist für Unternehmer schlicht Realität. Wer einen Betrieb führt, muss auch beim Thema Ehe rechtzeitig über Exitstrategien nachdenken. Nicht weil man vom Scheitern ausgeht, sondern um im Ernstfall nicht alles zu verlieren: die Liebe und die Firma.  

INFO

Drohendes Ehe-Aus im Familienbetrieb?
Das rät Rechtsanwältin Birgit Leb:

  • Keine voreiligen Entscheidungen (wie z. B. ­Auszug aus der ehelichen Wohnung) treffen, sondern jede Entscheidung im Vorfeld auf ­etwaige Risiken abwägen.
  • Beweissicherung ist alles.
  • Immer eine Gesprächsbasis mit dem Noch-­Ehegatten und aus anwaltlicher Sicht mit der gegnerischen Anwältin aufrechterhalten.+
  • Überlegen, ob alternativ nicht auch eine ­Mediation versucht werden sollte – Gerichts­verfahren sind teuer und dauern lange.
  • In der Ruhe liegt die Kraft.

Unternehmen und Ehe
Von Birgit Leb
2. Auflage 2021
Verlag: LexisNexis
222 Seiten
ISBN 978-3-7007-7530-0
39 Euro