Wie viel Sicherheit kann Private Banking bieten?
An den Börsen steigt die Angst vor einer KI-Blase, Zollschranken gefährden den Welthandel und das Smartphone wird als Wealth-Manager genutzt. Wie reagiert die Vermögensverwaltung in Privatbanken auf diese neuen Herausforderungen?
Moderation: Stefan Schatz
Disruptive Technologien, volatile Börsen und neue Produkte: Was das fürs Private Banking bedeutet, diskutierten Constantin Veyder-Malberg (Schelhammer Capital), Helmut Siegler (Schoellerbank), Roland Jacubetz (Erste Private Banking) und Markus Plank (RLB NÖ-Wien Wealth) am runden Tisch von assets, der diesmal in der wundervollen Sky Bar im Wiener Traditionskaufhaus Steffl stattfand. Waltraud Perndorfer (Privat Bank RLB OÖ) war kurzfristig verhindert und schickte ihre Überlegungen schriftlich zu.
assets: Kriege, flaue Konjunktur und die Gefahr einer KI-Blase. Wie vermittelt man heute eine sichere Vermögensverwaltung?
Helmut Siegler: Man muss überlegen, was man mit seinem Vermögen erreichen will und was Stabilität, Sicherheit und Wertzuwachs eigentlich bedeuten. Politische Diskussionen können die Finanzmärkte deutlich beeinflussen. Die wichtige Aufgabe einer Vermögensverwaltung ist, Vertrauen und Stabilität zu bieten, verlässlicher Partner über Jahrzehnte zu sein. Dafür muss man Fakten von Emotionen trennen, mediale Übertreibungen filtern und Kunden erklären, welche Strategien man daraus ableitet. Das war schon immer so. Jetzt sind die Vorteile für unsere Kunden sogar spürbarer. In stürmischen Zeiten lernt man einen guten Bankpartner schätzen.
Waltraud Perndorfer: Die historische Entwicklung zeigt, dass sich der Kapitalmarkt langfristig immer positiv entwickelt. Um Kunden von der Sicherheit der eigenen Vorschläge zu überzeugen, ist es entscheidend, eine klare und bewusste Risikostrategie zu verfolgen. Die richtige Diversifikation reduziert das Risiko und erhöht die Chancen auf stabile Erträge. Der persönliche Kontakt ist daher in trüberen Zeiten noch wichtiger!
Constantin Veyder-Malberg: Es gab nie sichere Zeiten. Wir müssen die Angst der Kunden bei Vermögensentscheidungen rationalisieren, um sie vor Fehlern zu schützen, die sie aus Unsicherheit begehen würden. Dafür braucht es Beratung. Viele glauben, sie können auch ohne Berater Vermögensentscheidungen treffen. Die Verhaltensökonomie zeigt: Menschen brauchen für rationale Entscheidungen Sparringspartner. Wer etwa wegen des Ukraine-Kriegs nicht investierte, hat keine gute Entscheidung getroffen. Die Märkte machen oft ganz andere Bewegungen als die Emotionen, die man im Kundengespräch erlebt. Was bleibt, sind die Fragen nach Zielen, Ressourcen und dem Verhältnis zwischen Sicherheit und Ertrag, das der Kunde braucht, um die Planung bis zur Zielerreichung durchzustehen.
Werden Krisen durch Social Media intensiver wahrgenommen?
Markus Plank: Die letzten 25 Jahre waren durch Krisen geprägt. In der Beratung ist es wichtig, die mediale Aufregung und die Realität zu entkoppeln. Gleichzeitig steigt die Komplexität der Finanzprodukte und wirtschaftliche Zusammenhänge werden schwieriger zu durchschauen. Bestimmte Logiken, etwa wie sich der Goldpreis zum Aktienmarkt bewegt, gelten nicht mehr, die Korrelationen wurden anders. Ohne professionelle Beratung ist das für Konsumenten und Veranlager schwer zu verstehen.
Glauben die Kunden dem Berater noch?
Roland Jacubetz: Die Kunden sind kritischer geworden und besser informiert, können mit ihrem Berater eine
inhaltlich tiefe Diskussion führen. Aber was wir jetzt erleben, hat es früher so nicht gegeben. Man liest täglich über Vorgänge, die man bis vor wenigen Wochen für undenkbar hielt. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss man einen Plan haben, den man stringent einhält. Die Vermögensverwaltung bietet diesen Plan. Unsere Kunden blieben deshalb auch entspannt, als Donald Trump die Zollkriege vom Zaun brach. Viele, die selbst veranlagen, wurden panisch – weil sie eben keine langfristige Strategie haben. Deshalb rollen wir die Vermögensverwaltung ins Massengeschäft aus.
Was ist anders als im Private Banking?
Jacubetz: Diese Art der Vermögensverwaltung ist auf wesentliche Bausteine fokussiert, einfacher gehalten, im Prinzip eine Multi-Asset-Lösung mit Themenschwerpunkten zum Auswählen, aber es bleibt ein diversifiziertes Portfolio, das natürlich immer der Risikoeinstufung entspricht.
Seit dem Aufkommen der ETFs werden die Kosten gemanagter Fonds kritisiert.
Perndorfer: Vermögensverwaltende Fonds bieten eine aktive Managementstrategie, um Marktchancen gezielt zu nutzen und Risiken aktiv zu steuern. ETFs bilden einen Index passiv nach, aktive Fondsmanager können flexibel auf Marktveränderungen reagieren und eine Outperformance erzielen. Anleger profitieren von der Expertise und Erfahrung dieser professionellen Fondsmanager und ihren Marktanalysen. Zudem bieten vermögensverwaltende Fonds oft eine breitere Diversifikation und können in verschiedene Anlageklassen investieren, um das Risiko zu streuen und die Stabilität des Portfolios zu erhöhen. Vermögensverwaltende Fonds sind eine maßgeschneiderte Lösung für die spezifischen Anforderungen des Kunden, ETFs eine kostengünstige und effiziente Möglichkeit zur breiten Marktteilnahme.
Jacubetz: ETF wurde zum Label für günstig, effizient, gescheit. Wir setzen in der Vermögensverwaltung nur Fonds mit sehr spitzer Strategie ein, und das auch nur dann, wenn man gut erklären kann, warum wir spezielle Felder auf diese Art abdecken. Wir arbeiten viel mit Einzeltiteln, um Produktkosten zu senken. Wichtig ist die Performance, die muss natürlich da sein, was aber mit sehr breit gestreuten Aktienfonds schwierig ist.
Plank: Der klassische Fonds ist zu Unrecht aus der Mode gekommen. ETFs sind nicht immer billig, ein ETF-Sparplan kann teurer sein als ein Fondssparplan. ETFs sind unvermeidbar, Kunden haben zumeist beides im Portfolio. Es ist ein Nebeneinander, kein Entweder-oder.
Jacubetz: Wichtig ist, Flexibilität zu bieten, Kundenwünsche zu erfüllen. Einzeltitel, Fonds, ETF – alles hat Vor- und Nachteile. Wir erklären das dem Kunden. Er trifft die Entscheidung.
Veyder-Malberg: Wer in der Lage ist, den richtigen ETF auszusuchen und über eine Onlinebank wie unsere DADAT zu kaufen, hat die günstigste Form der Geldanlage gewählt. Das ist für Aktien okay. Bei Anleihen aber warne ich vor ETFs. Weil sie passiv investieren: Wer die meisten Anleihen begibt, bekommt den höchsten Anteil – hat aber auch die meisten Schulden. Da ist die Rückzahlung nicht immer sicher. Es ist nachgewiesen, dass aktiv gemanagte Anleihenfonds eine bessere Performance als Anleihen-ETFs haben. Wer eine gemischte Vermögensanlage mit Anleihen und Aktien haben will, braucht eine Mischung, wie sie vermögensverwaltende Fonds bieten. Sie passen die Gewichtung aktiv an Marktsituationen an und streuen zur Risikominimierung im Gegensatz zum ETF breit. Das macht gerade in der aktuellen Situation Sinn. Wenn eine Blase platzt, ist man mit einem ETF bei den Verlusten dabei, ein aktiver Fonds kann gegensteuern.
Seit der Finanzkrise gab es trotz globaler Krisen keinen nachhaltigen Börseneinbruch.
Siegler: Bei den aktuellen Schlagzeilen liegt eine gewisse Verunsicherung nahe. Trotzdem steigen nicht nur die Kurse an den Börsen, sondern auch die Goldpreise und Krypto. Bestimmte KGVs und Statistiken weisen auf eine Übertreibung hin. Die Frage ist: Sind die klassischen Maßstäbe noch gerechtfertigt? Die gehypten IT-Unternehmen schreiben nach wie vor gute Gewinne. Mittelfristig folgen die Kursentwicklungen den Entwicklungen der Unternehmen. Es gibt sehr große Erwartungen und Hoffnungen, dass die neuen Technologien von Kunden gekauft werden und sich in der breiten Wirtschaft rechnen. Früher haben Anleger bei Unternehmen wie Coca-Cola, Johnson & Johnson, Louis Vuitton und Roche auf Fundamentaldaten geachtet. Jetzt ist der Fokus oftmals anders. Auch durch die Form der Kommunikation über soziale Medien, die sehr themenorientiert ist: Erst geht es um Abnehmspritzen, dann um bestimmte Faktoren aus der KI – die Themen wechseln immer kurzfristiger. Die ganzheitliche Betrachtung geht ein wenig verloren, die Gefahr der Übertreibung besteht. Darauf muss man mit Augenmaß und Diversifikation reagieren.


Gibt es das Bewusstsein für die Volatilität von Börsen? Oder werden Aktien ähnlich eingeschätzt wie Bausparverträge?
Veyder-Malberg: Täglich sagen Kunden, sie hätten mit der Auswahl von Einzeltiteln die Performance unserer Fondsmanager übertroffen. Weil sie die berühmten Magnificent Seven gekauft haben, also Microsoft, Nvidia & Co. Das war 1999 auch so: Da hat man mit wenigen Titeln fantastisch verdient. Im März 2000 kam der Crash, der mehrere Jahre gedauert hat. KI wird zweifellos alles durchdringen und die Prozesse in Unternehmen in den nächsten fünf Jahren auf den Kopf stellen. Eine ähnliche Dimension hatte die Erfindung der Elektrizität. In den wilden 1920er-Jahren hat man den Boom der Energieversorger, der Utilities, erlebt. Bis das Jahr 1929 mit der großen Depression und dem Finanzcrash kam. Die vier Utilities, die es heute noch gibt, brauchten 65 Jahre, um wieder den Wert von 1929 zu erreichen. Das hat kaum einer erlebt, der damals in diese Unternehmen investiert war. Wenn ich heute Aktien kaufe von Unternehmen, deren Gewinn sich in den letzten zehn Jahren schon vervielfacht hat, und die dennoch mit 50 mal Gewinn bewertet sind, heißt das: Ich brauche 50 Jahre, um mit den aktuellen Gewinnen mein Investment zurückzubekommen.
Wir haben untersucht, was in der Vergangenheit nach Jahren mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von 23, wie wir es derzeit haben, passierte: Es gab kein Folgejahr, in dem die normale Ertragserwartung von sechs bis sieben Prozent bei Aktien erfüllt wurde, sondern es waren entweder plus 30 oder minus 30 Prozent. Das heißt für die nächsten zwölf Monate: Wir werden entweder weiter einen Boom haben und noch einmal 30 Prozent verdienen. Oder wir crashen mit einem Minus von mehr mehr als 25 Prozent. Es wird entweder richtig heiß oder richtig kalt.
Plank: Das ist jetzt sehr schwer für die Vermögensverwaltung.
Veyder-Malberg: Die Dosis macht das Gift. Unsere Aufgabe ist, Risikomanagement vor der Krise zu machen. Unsere Vermögensverwaltung hat ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19 im Schnitt und in der Vergangenheit dennoch höhere Gewinn- und Umsatzsteigerungen als der Index und die Magnificent Seven. Im Moment passiert etwas Absurdes: Umsätze entstehen nicht mehr durch Käufer, sondern durch Cross-Beteiligungen. Und noch ein interessantes Detail zu unserer Untersuchung über die historischen Folgen von KGVs über 23: Im ersten Jahr danach ging es entweder steil nach oben oder nach unten. Aber in den zehn folgenden Jahren gab es keines mit mehr als null Prozent Rendite. Bei den Renditen auf Zinspapieren ist deshalb die richtige Mischung von Aktien und Anleihen viel wichtiger, als die Magnificent Seven zu kaufen. Das funktioniert vielleicht noch ein oder zwei Jahre, aber ich wette, nicht auf zehn Jahre.
Perndorfer: Vorsicht ist natürlich geboten, insbesondere in Zeiten von hohen Bewertungen und spekulativen Erwartungen. Es ist wichtig, nicht alles auf ein Pferd zu setzen und eine breite Diversifikation im Portfolio zu gewährleisten. Noch wichtiger ist es, die eigenen Investitionsziele und die persönliche Risikostrategie genau zu kennen und zu verfolgen. Perfektes Timing an den Märkten ist nahezu unmöglich, daher sollten langfristige Strategien und eine solide Risikobewertung im Vordergrund stehen.
Plank: Deswegen macht Beratung Sinn. Vermeintlich ist ja alles gut: positive Nachrichten vor allem aus dem IT-Sektor, sehr nachhaltige Gewinne und auch schöne Ausblicke. Dass dem nicht so ist, wissen wir: Unsere Aufgabe ist, klarzumachen: Das ist keine Einbahnstraße. Auch ich sehe auf der fest verzinslichen Seite gute Alternativen, die es lange Zeit nicht gab. Die Möglichkeiten und Instrumente sind besser geworden. Es geht um Diversifikation. IT-Unternehmen sind immer die ersten drei, vier, fünf Picks, die sich der Kunde kauft. Die Gefahr der Überhitzung ist sicher da.
Jacubetz: Auch mir erzählen Kunden von 50 Prozent plus mit den Magnificent Seven. Ich frage sie dann, ob sie wissen, wie der gleichnamige Film ausgegangen ist: Am Schluss kommt es nämlich zum großen Duell, vier sterben. Das wird bei den Unternehmen im nächsten Jahr nicht passieren. Aber ob sie Outperformer bleiben? Der Markt ist derzeit Priced for Perfection, es darf nichts schiefgehen: Extreme Bewertungen im Technologiesektor und in den USA insgesamt, Credit Spreads teilweise unter jenen von 2007, Gold auf Höchstständen und die Staaten sind überschuldet. Dazu kommt der Momentum-Aspekt: Viel mehr Marktteilnehmer, die viel schneller agieren, dazu das historisch einzigartige passive Angebot – das trägt zur Volatilität bei, die wir täglich sehen können. Wenn OpenAI einen neuen Browser für den Mac ankündigt, sinkt Alphabet um mehr als vier Prozent. Das ist bei deren Marktkapitalisierung eine massive Bewegung! Gold stürzt um mehr als fünf Prozent ab, wenn die chinesische Zentralbank laut Nachrichten kein Gold mehr kauft. Das aktuelle Marktumfeld, diese Fear of Missing Out, steigert die Wahrscheinlichkeit für extreme Bewegungen. Market Timing ist keine Alternative, das funktioniert nicht. Man muss jetzt einfach einiges aushalten. Wir versuchen bei Barriereprodukten die Abhängigkeit von Kurswerten so weit wie möglich zu reduzieren, damit die Kunden das durchstehen können.
Veyder-Malberg: Deshalb bringt Beratung messbaren Mehrwert. Wissenschaftliche Studien zeigen einen Gap. Das ist die Kluft zwischen dem Investmentertrag des Markts und dem Ertrag des einzelnen Investors. Der Investmentertrag ist um ein Drittel höher als der Investorenertrag. Der Nettovermögenszuwachs ist für den Investor also um ein Drittel tiefer als das Wachstum des Markts. Nicht wegen falscher Produkte oder zu hoher Kosten, sondern weil Investoren ohne Beratung – also Selbstentscheider – Markt-Timing versuchen. Wir wissen: Man kann Risikomanagement betreiben, Risiken streuen, aber nicht einmal für eine Millisekunde den Markt vorhersehen. Niemand hat die Glaskugel. Wer auf Bauchgefühle vertraut, trifft Fehlentscheidungen, steigt nach Marktrückgängen aus Angst unten aus und oben mit der Herde wieder ein. Dieses Buy High, Sell Low verusacht das Drittel, das auf den Markt fehlt. Das trifft auch auf ETFs zu: Je branchenspezifischer ETFs sind, desto größer ist der Investment-Gap. Je vermögensverwaltender, breiter gestreuter aktive Fonds sind, desto geringer ist er. Weil vermögensverwaltende Fonds nur von Beratern angeboten werden, Einzelbranchen-ETFs aber von Unberatenen gekauft werden.
Plank: Man müsste nur den zweiten Schritt weglassen, Buy High ist nicht schlimm, der Verkauf ist es. Es heißt: Der beste Zeitpunkt zu investieren war gestern, der zweitbeste ist heute. Sogar am All-Time-High zu kaufen, ist ertragreicher, als mit dem Kauf einen Crash abzuwarten. Man muss nur durchhalten.
Siegler: Die Herausforderung der Vermögensverwalter ist: Wann nimmt man das Gas etwas raus? Die Liquidität ist nach wie vor am Markt. Steigt man zu früh aus, ist der Kunde verärgert. Mein Eindruck: Viele Vermögensverwalter wären gerne vorsichtiger, sind aber kundengetrieben.
Jacubetz: In der Financial Times gab es eine Untersuchung zur Performance von Sektor-ETFs kurz nach Auflage. Die funktionieren eigentlich gar nicht. Weil auch die schnellsten ETF-Anbieter eine Weile brauchen, um Trends zu erkennen und Produkte auf den Markt zu bringen. Wenn der Kunde kauft, ist er im kurzfristigen Markt schon wieder sehr spät dran.
Siegler: ETFs werden immer als Allheilmittel gehandelt. Aber es sind Produkte, keine Strategie. Und da rede ich noch gar nicht von anderen Aspekten: Ist der ETF synthetisch? Ist er repliziert? Welche Strategie wähle ich? Wie gehe ich mit dem Risiko um? Das Denken erspart der ETF auch nicht.


Sind Kryptowährungen für Privatbanken ein Thema?
Jacubetz: Kunden fragen Kryptowährungen an, daher bieten wir Lösungen dazu. Nicht mit einer eigenen Wallet, aber wir bieten ETP-Produkte, die durch unseren Produktprüfungsprozess gegangen sind. Aber man kann zu Krypto nicht beraten.
Perndorfer: Vor allem die jüngere Generation zeigt zunehmend Interesse an Krypto-Assets. Die wachsende Akzeptanz von Bitcoin in seriösen Anlegerkreisen ist nicht zu übersehen. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Weiterentwicklung des Finanzsektors, deshalb evaluieren wir auch diesen Aspekt im Hinblick auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Wir möchten sie aber in erster Linie vor Risiken im Umgang mit Krypto-Assets schützen.
Plank: Wir sind in Kooperation mit Big Panda und sind als einer der Ersten bei diesem Thema vorgeprescht. Das kommt auch im Private Banking in reduzierterem Ausmaß an, auch Private-Banking-Kunden eröffnen Wallets. Krypto ist gekommen, um zu bleiben – und fixer Bestandteil geworden. Natürlich mit entsprechenden Volatilitäten. Aber auch diese kann man über monatliche Sparpläne vorteilhaft nutzen.
Veyder-Malberg: Normalerweise kommen Anlageklassen aus dem großen institutionellen Bereich wie Staatsfonds oder Pensionskassen. Dann demokratisieren sie sich über Family Offices langsam bis ins Retailgeschäft. Bei Krypto ist es umgekehrt. Das kommt nicht von den großen, weisen, smarten Geldanlegern. Sondern aus einer Ecke, die ist nicht einmal mehr Retail, das stammt von Tech-Leuten, die normalerweise nie im Private Banking zu Hause wären, die diese virtuellen Währungen gar nicht als Geldanlage gedacht haben und mit ihren Bitcoins plötzlich ein unfassbares Vermögen geschaffen haben. Erst dadurch wurde Krypto von anderen als attraktive Anlageklasse entdeckt. Es gibt Untersuchungen, dass in Österreich im Neugeschäft mehr Menschen Krypto kaufen als Wertpapiere. Jetzt kommt es zu einem spannenden Moment: Die Kryptowelt kommt erstmals in die Regulatorien und wird damit für institutionelle Anleger investierbar und für Banken abwickelbar. Es bleibt aber eine schwer greifbare Anlageklasse. Man braucht ein gewisses Insider-Know-how. Es ist unsere Herausforderung im Private Banking, dass wir dem Kunden diese Anlageklasse ermöglichen. Deswegen beschäftigen wir uns sehr intensiv mit diesem Thema. Gerne möchten wir unseren Kunden in Zukunft auch den Handel mit Kryptowährungen anbieten. Im Portfolio hätten sie dann Cash, Anleihen, Aktien, Gold, Krypto und letztlich auch noch Private Equity. Damit können wir Anlageklassen dem Ziel des Kunden entsprechend gewichten. Der für mich entscheidende Punkt ist aber: Wir lassen den Kunden auch bei diesen Themen nicht alleine. Er muss sich Krypto, Gold oder Private Equity nicht woanders selbst besorgen. Wir wollen der One-Stop-Shop für Gold, Krypto, Private Equity und klassische Veranlagungsklassen werden. Inklusive Beratung über alle Anlageklassen. Bei Krypto beraten wir allerdings nur eingeschränkt auf die Prüfung der Angemessenheit. Für eine profunde Anlageempfehlung ist der Markt noch zu unreguliert.
Plank: Erstmalig müssen wir Kunden aus dem Risiko nehmen. In den letzten Jahren haben wir immer versucht, Kunden aus einer sehr konservativen Veranlagungswelt in ein moderates Risiko zu bringen. Auch im Private Banking sind wir jetzt immer öfter mit Kunden konfrontiert, die mit Bitcoin viel Geld verdient haben und deshalb in einem sehr hohen Risiko sind. Das ist auch in der Beratung ein anderer Zugang, das ist ein ganz neues Paradigma.
Siegler: Bei uns wird selten nach Krypto gefragt. Wir bleiben bei diesem Thema zurückhaltend. Wenn man die Ertragsstärke erhöhen will, indem man ins Risiko geht, reden wir mit Kunden eher über Aktieninvestments als über den Wechsel in andere Assetklassen.
Auch Private Equity liegt im Trend. Soll es für alle zugänglich werden?
Siegler: Wir beschäftigen uns seit einigen Jahren mit diesem Thema. Man muss das Risiko hinterfragen. Natürlich kann Private Equity Situationen zu Zeitpunkten nützen, die interessant sind. Man kann schon mit 20.000 oder für 50.000 Euro Anteile von Private-Equity-Fonds kaufen. Aber man muss genau hinschauen, hinsichtlich der Handelbarkeit, der Fungibilität, der Wertstellung etc., und sich als Anleger Gedanken machen, was dieses Risiko strategisch bedeutet. Es ist ein komplexes Veranlagungsprodukt. Umso wichtiger ist die Beratung. Für Family Offices, für Großvermögen ist Private Equity seit Jahren bedeutend.
Veyder-Malberg: Wir haben vor 20 Jahren mit Private Equity begonnen und waren damit Pioniere. Damals notierten in den USA etwa 5.000 Unternehmen an den Börsen, weniger als 4.000 Unternehmen waren mit Private Equity finanziert. Heute sind in den USA fast 13.000 Unternehmen Private-Equity-finanziert, an den Börsen sind nur mehr rund 4.000 gelistet, auch die IPOs werden immer weniger. Private-Equity-Fonds kaufen Unternehmen von der Börse. Die Endowment Funds von Harvard, Stanford und wie sie alle heißen, die bis zu 40 Prozent des Gesamtportfolios nur in Private Equity investierten, waren damit extrem erfolgreich. Aber: Private Equity ist eine besondere Anlageklasse. Gelistete Aktien kaufen kann jeder. Die Differenz zwischen guten und schlechten Fondsmanagern liegt über 20 Jahre bei etwa zwei Prozent. Im Private Equity hängt alles von den Managern ab. Die schlechten verdienen überhaupt kein Geld, die besten im Schnitt zwischen 15 und 20 Prozent. Um diese zu finden, haben wir mit der Private Markets GmbH eine spezialisierte Tochter aufgebaut. Sie findet diese kleinen Boutiquen mit vielleicht 40 Mitarbeitern, die schon vier, fünf Mal gezeigt haben, dass sie zu den Besten gehören. Sie sind weltweit begehrt und müssen überzeugt werden, unser Investment überhaupt anzunehmen. Die brauchen unser Geld nicht! Und wir wollen auch noch eine Due Diligence, ob die Erfolgsfaktoren der Vergangenheit nach wie vor gegeben sind. Das schaffen wir und haben über die letzten 20 Jahre 14,9 Prozent Netto-Investment-Return geschafft. Aber: Private Equity ist illiquid, man ist fremdgesteuert, man muss Prozesse und Entwicklungen verstehen. Deswegen halten wir nichts davon, Private Equity zu retailisieren und die illiquide Anlageklasse als liquide zu verkaufen. Sonst passiert dasselbe wie einst bei den Immobilienfonds: Wenn der Markt nach unten geht, wollen alle raus, die Fonds werden geschlossen und hohe Verluste realisiert.
Plank: Private Equity zu retailisieren, ist auch nicht kundenindiziert. Man versucht, das Thema stark zu promoten, obwohl die Nachfrage nicht da ist.
Perndorfer: Private-Equity-Investitionen können hohe Renditen bieten, die spezifischen Risiken müssen sorgfältig analysiert und verstanden werden. Zudem muss Private Equity in das bestehende Portfolio passen. Private Equity sollte ein Teil einer umfassenden Anlagestrategie sein, die die individuellen Ziele des Anlegers berücksichtigt. Es kommt daher nicht für jeden Privat-Banking-Kunden infrage.
Jacubetz: Wir bieten Private Markets in der Vermögensverwaltung und im Depot an, bevorzugt in der Form von ELTIF-Strukturen. Wir haben auch einen eigenen Fund of Fund gelauncht. Wir offerieren die ganze Produktpalette – aber nur im Private Banking, wo es wichtiger Bestandteil einer diversifizierten Asset Allocation ist. Man ignoriert sonst einen großen Teil der Wirtschaft. Der weit überwiegende Anteil der Unternehmen ist nun einmal in privater Hand, aus europäischer Sicht ist auch die Kapitalmarktperspektive wichtig. Wir haben nicht genug Risikokapital für Wachstum in Europa. Im Venture-Bereich gibt es viel, auch in Österreich. Kommen aber Unternehmen in den Growth-Bereich, der große Summen erfordert, müssen auch Unicorns nach Amerika gehen. Deshalb wird Kapital aus Private Equity in Europa einfach benötigt. Man kann für Private-Banking-Kunden dann schrittweise ein Exposure aufbauen. Es bleibt eine Frage der Beratung: Hat der Kunde alle Vor- und Nachteile verstanden? Für Anleger, die bei Neobrokern beratungslos Private Equity kaufen, könnte es ein bitteres Erwachen geben. Wir haben Lösungen für Kunden, die depotfähig und endbesteuert sind und Convenience bieten.

In Europa gibt es viele Small Caps mit Nachfolgeproblemen. Wäre das nicht ein Paradebeispiel für Private Equity?
Jacubetz: Private-Equity-Finanzierungen beginnen in Europa erst. In Österreich sind wir da sicher nicht führend,
in Tschechien etwa ist man schon deutlich weiter. Lokale Private-Equity-Anbieter sammeln unter dem Aspekt „Wir unterstützen die eigene Wirtschaft“ Investorengelder ein.
Veyder-Malberg: In Österreich fehlt uns die Kultur für Private Equity. Man will Kapitalgarantien, die der Staat auch zu
Private Equity gegeben hat. Das ist absurd und macht es zum Förderprogramm. Wir wollen mit den Unternehmen Geld verdienen. Wir finden die Topmanager in Europa, die im Buy-out-Segment in Unternehmen im Wert bis zu 200 Millionen investieren – die profitabelste und exklusivste PE-Klasse. Das macht sie für unsere Kunden interessant: Viele waren oder sind selbst Unternehmer und suchen unternehmerische Beteiligungen abseits von Börsen, an denen die Preise weit vom wahren Wert eines Unternehmens abweichen.
Als Private Banker haben Sie einen guten Einblick in die Stimmungslagen von Familienunternehmen. Herrscht wirklich so großer Zukunftspessimismus? Wie kann man die Stimmung aufhellen?
Siegler: Die Stimmung ist eigentlich nicht schlecht. Die Frage ist: Kommen wir bei Themen wie Investitionsförderung, Innovation und Entbürokratisierung weiter? Es gibt in Europa gute Ideen in der Grundlagenforschung, aber wir können sie nicht wirtschaftlich verwerten. Im Quantencomputing etwa ist von zehn Unternehmen eines europäisch, vier sind japanisch und fünf amerikanisch. Wo bleiben die europäischen Energieallianzen? Warum überrascht uns die Problematik in der Finanzierung der Pensionssysteme? Wir haben gute Unternehmen, viele Hidden Champions. Aber wer investiert in sie, etwa über Private Equity? Scheinbar reicht der Leidensdruck noch nicht aus, um dynamische Schritte nach vorne zu machen. Wir sind zu langsam, wir müssen schneller und konsequenter umsetzen.
Perndorfer: Viele Branchen sind auf einem guten Weg, manche, wie etwa die Automobilzulieferindustrie, sind mit großen Herausforderungen konfrontiert. Fest steht: Wir müssen den Fokus auf die Attraktivierung und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts legen. Hohe Lohnkosten, teure Energie und überbordende Bürokratie bremsen den Konjunkturmotor. Es braucht einen gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss und das Bewusstsein, dass wir die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen verbessern müssen, indem wir die Digitalisierung vorantreiben, Innovationen fördern und die notwendigen Fachkräfte für die Zukunft ausbilden.
Veyder-Malberg: Elon Musk hat in einer Konferenz gefragt: Wer kennt einen Europäer, der optimistisch in die Zukunft für Europa schaut? Der Saal blieb still. Auch unsere Kunden blicken optimistisch in die Zukunft des eigenen Unternehmens – aber nicht in die Zukunft Europas. Mein Appell: Lasst uns optimistischer sein für unser gemeinsames Schaffen. Sonst wird der Pessimismus zur Self Fulfilling Prophecy. Der Wirtschaftszyklus wird auch wieder nach oben gehen. Das wäre ein guter Anlass, uns in Europa zuzutrauen, Optimisten sein zu dürfen. Für uns selbst.
Plank: Ein Kunde sagte mir: Früher kamen Unternehmen aus China und Südostasien nach Europa, um zu lernen. Jetzt ist das umgekehrt. Wir haben viel an Vorsprung verloren. Amerika wird sehr stark liberalisiert, China hat uns längst überholt. Es braucht viel Mut und Selbstvertrauen, um wieder aufzuschließen. Die komplexe Struktur auf EU-Ebene ist dafür nicht wirklich förderlich. Jacubetz: Europa und Österreich brauchen mehr Mut und Optimismus, aber vor allem mehr Sense of Urgency. In Europa gibt es zu vielen Themen keine eindeutige Meinung, sondern Partikularinteressen. Europa spricht nicht mit einer Stimme, das wird zum großen Problem werden. Etwa bei den enormen Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz: Wir
haben in diesem Bereich –mit einer Ausnahme in Frankreich – keine Unternehmen, keine Rechenzentren, keine Infrastruktur. Nehmen wir Medizin als Beispiel: In den USA wird es möglich sein, eine KI mit Millionen Patientendaten zu trainieren, weil man den Mehrwert für alle sieht. In Europa würde jahrelang über das Recht der Patienten auf Datenverweigerung diskutiert werden. Das wird uns im Ranking der wirtschaftlichen Größe auf den dritten Platz der Welt verbannen. Noch sind wir die zweitgrößte Volkswirtschaft und haben Chancen. Diese sollten wir nutzen – mit positivem Blick in die Zukunft.