Das kleine Büro in der Himmelpfortgasse ist hell und aufgeräumt. Durch die Fenster fällt der herbstliche Sonnenschein, der Blick hinunter zur Kärntner Straße zeigt den breiten Strom geschäftiger Menschen. Thomas Hahn, 52, spricht ruhig und konzentriert. „Wir haben nichts, was man braucht“, sagt er, „aber vieles, was man sich wünscht.“ Es ist ein Satz, der gut beschreibt, wie Hahn das Kaufhaus Steffl versteht: nicht als Ort der Notwendigkeiten, sondern als Bühne für Stil, Inspiration und die Freude am Schönen.
Seit März 2024 ist er Geschäftsführer des Kaufhauses Steffl. Zusammen mit dem Eigentümer Hans Schmid, der die operative Leitung aber mittlerweile an Tochter Johanna Elisabeth Schmid übergeben hat. Sie fokussiert vor allem auf den Kreativbereich – die (optische) Gestaltung des Kaufhauses –, während Hahns Verantwortung vom Markenmix über die Finanzen bis zur Gastronomie reicht und zudem die Skybox Gastronomie GmbH mit Restaurant und Bar im Dachgeschoss umfasst.
„Das Kaufhaus Steffl ist ein besonderer Ort“, sagt er. „Viele Touristen verbinden ihren Besuch im Museum, das wir im Untergeschoss haben, mit einem Essen oben und dem Einkaufserlebnis in den sieben Etagen dazwischen – ein perfektes Gesamtpaket.“ Beim Museum handelt es sich um das multimediale Erlebnis „Mythos Mozart“. Und tatsächlich passt es zum Konzept des Hauses, das Einkaufen als Teil des umfassenden Stadterlebnisses definiert, ein Stück Kulturgeschichte auf diese Weise zu präsentieren.
Die Grenze des Sinnvollen
Hahns Karriere wies bereits einige Höhepunkte auf: So war er von 1999 bis 2011 Assistent der Geschäftsführung bei Don Gil, verbrachte dann mehrere Jahre als Manager im Outletcenter Parndorf. Bis Anfang 2024 verantwortete er die Immobilienvermietung an internationale Retailer bei der Signa-Gruppe, unter anderem für das Goldene Quartier. Auch in die Planung des mittlerweile abgeblasenen Kaufhausprojekts Lamarr auf der Mariahilfer Straße war Hahn eingebunden. „Mich hat damals die Frage beschäftigt, ob ein Kaufhaus im Jahr 2030 noch profitabel sein kann“, sagt er. „Welche Lage, welche Marken, wie viel Luxus – und wo beginnt die Grenze des Sinnvollen?“
Antworten auf Fragen dieser Art sucht er nun in einem historischen Haus, das sich unter seiner Leitung sichtbar verändern wird. 2026 soll etwa die Fassade des Steffl modernisiert werden – multimedial bespielt, ein neuer Blickfang auf der Kärntner Straße. Und im Erdgeschoss wird eine neue Parfümerie eröffnen, mit Marken wie Tom Ford, Dior, Chanel und Prada. „Überall in Europa wird man beim Eintreten in ein ordentliches Kaufhaus vom Duft begrüßt“, sagt Hahn. „Das wird auch bei uns wieder so sein.“
Wenn er von Umbaumaßnahmen, Passantenzahlen und Kundenfrequenzen erzählt, dreht sich das Gespräch vor allem um die richtige Atmosphäre. „Offline wird das neue Premium“, ist sich Hahn sicher. „Wenn Menschen ins Haus kommen, muss ich ihnen mehr bieten als Ware – ich muss sie überraschen.“ Mehr Musik, mehr Duft, mehr Licht, mehr Freundlichkeit – man könnte es „Retailtainment“ nennen.
Emotionen verkaufen
Hahns Ansatz ist analytisch und menschlich zugleich. Die Erfahrungen in Parndorf und aus der Signa-Zeit prägen seine Sicht: „Retail ist wie Profisport“, sagt er. „Von außen wirkt es einfach, aber dahinter steckt viel Analyse, Planung, Organisation.“
Zahlen interessieren ihn – Frequenzprognosen, Wetterdaten, Umsatzzyklen –, doch seine Leidenschaft gilt dem Erlebnis auf der Verkaufsfläche. „Einkaufen ist ein Bedürfnis, Shoppen mehr eine Freizeitgestaltung“, sagt er. „Darum verkaufen wir keine Bedarfsartikel – wir verkaufen Emotionen.“
Natürlich sei die Situation des Handels grundsätzlich schwieriger geworden: Zwei Insolvenzen pro Tag im österreichischen Einzelhandel, allgemein steigende Kosten, Fachkräftemangel – Hahn spricht offen darüber. „Wir müssen uns weiterentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und das gelingt nur mit den richtigen Menschen.“ Etwa 300 Mitarbeitende beschäftigt Steffl, vom Verkauf bis zur Verwaltung. Rekrutiert werde ständig: „Wir suchen Idealisten. Menschen, die stolz sind, hier zu arbeiten.“
2024 wurde die Steffl Academy ins Leben gerufen – mit Sprach- und Rhetorikkursen, Verkaufsschulungen und Markentrainings. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unsere Visitenkarte und das Kaufhaus ist eine Bühne, auf der wir von zehn bis 20 Uhr die beste Vorstellung für unsere Kundinnen und Kunden geben.“ Dass viele junge Menschen heute keine Work-Life-Balance, sondern „eher Life-Life-Balance“ suchten, mache die Personalplanung nicht einfacher. „Aber wer Freude an Mode und Menschen hat, findet hier einen großartigen Arbeitsplatz.“ Dass überdurchschnittlich viele Positionen mit Frauen besetzt sind, sei dabei keine Überraschung: „Der Modehandel ist weiblich“ – und das dürfe man auch spüren.
Verjüngungskur
Wenn Hahn über Touristinnen und Touristen sowie die Einheimischen spricht, klingt das nie nach Gegensatz. „Etwa zwei Drittel unserer Kundschaft kommen aus dem Ausland. Aber wir wollen eben beides: internationales Publikum und lokale Stammkundschaft.“ Deshalb investiere man stark in neue Zielgruppen – eine jüngere Kundenstruktur, urbane Lebensstile, flexiblere Formate. „Wir sind mit unseren Kundinnen und Kunden älter geworden“, sagt er. „Jetzt müssen wir uns neu orientieren.“
Dabei denkt Hahn nicht nur an das Steffl-Sortiment, sondern spricht auch die politischen Rahmenbedingungen an. Das österreichische Ladenöffnungsgesetz hält er für überholt. „Online darf 168 Stunden pro Woche offenhalten, wir nur 72 – das ist kein fairer Wettbewerb.“ Besonders die fehlende Tourismuszone in Wien stört ihn: „Wenn am Sonntag Tausende Gäste durch die Innenstadt flanieren und alles geschlossen ist, geht viel Umsatz verloren. Es muss ja niemand offen halten – aber wer will, sollte es dürfen.“
Am Ende des Gesprächs ist klar: Für Thomas Hahn ist der Steffl mehr als ein Kaufhaus – er gleicht einem lebendigen Organismus, der sich ständig verändern muss. Mit klarem Blick und viel Konsequenz arbeitet Hahn daran, Tradition und Zeitgeist zu verbinden, das Haus wirtschaftlich stark und atmosphärisch einzigartig zu halten. Das Kaufhaus Steffl ist so wie seine Heimatstadt Wien: beständig, offen und immer in Bewegung.
Info
Karriere & Hintergrund
Thomas Hahn (52) ist seit März 2024 Geschäftsführer des Steffl. Zuvor war er bei Signa für Retailvermietung zuständig und wirkte an Projekten wie dem Kaufhaus Lamarr mit. Berufserfahrung sammelte er u. a. bei
Don Gil und im Outletcenter Parndorf.
Konzept & Zukunft
Hahn positioniert Steffl als „leistbaren Luxus“ mit über 600 Marken. Das Haus wird schrittweise modernisiert – inklusive neuer Parfümerie, Gastro-Formate und digitaler Fassade. Ziel: ein Wiener Premium Department Store, der Tradition und Erlebnis neu verbindet.