Familienunternehmen – Welten ­erschaffen

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Sophie Blaha leitet den gleichnamigen Büromöbelhersteller in Korneuburg in dritter Generation. Nach internationaler Designausbildung und Berufserfahrung in New York weiß sie, was Büros heute brauchen, um Mitarbeitende aus dem Homeoffice zu locken.

Die Familie Blaha fokussiert sich auf den klassischen Sinn von Unternehmertum: Angeboten wird, was der Markt braucht. Die jetzt ans Ruder kommende dritte Generation der Familie setzt auf Gesamtlösungen, die aus dem Homeoffice wieder ins Firmenbüro locken.
Text: Stefan Schatz

Vor ziemlich genau sechs Jahren startete das Coronavirus von Wuhan aus eine pandemische Welttournee. Seitdem sind wir um viele Mitmenschen ärmer, aber um einige Erkenntnisse reicher. Wie etwa um jene, dass sich viele Bürojobs auch zu Hause erledigen lassen. Wozu also noch die Mühsal, sich jeden Morgen bürotauglich auszustaffieren, um dann in überfüllten Öffis oder über verstaute Straßen viel Freizeit mit Arbeits­wegen zu vergeuden? Vor allem junge High Potentials wehren sich gegen Anwesenheitspflichten in Bürozentralen.

Für Unternehmen hat die Sache aber einen Haken. Der Teamgeist, der Unternehmenskulturen prägt, neue Ideen gebiert und den Zusammenhalt stärkt, geht verloren, wenn in Kaffeeküchen, Gängen und Raucherecken vor Officetürmen Leere herrscht. Große Konzerne wie Apple, Google und Meta verdonnerten deshalb die Belegschaft zum Mindestaufenthalt im Firmengebäude, Unternehmenin Österreich folgten diesem Beispiel. Das ist arbeitsrechtlich zwar gedeckt, aber das eigentliche Problem bleibt: Wer nicht gerne kommt, wird kaum zum Produktivitätswunder werden. Also tüfteln die HR-Abteilungen an Prämienmodellen, locken mit rascheren Karriereschritten und baldowern allerhand andere Goodies als Anreiz aus. Sehr oft allerdings vergeblich.

Möbel fürs Miteinander

Was sie übersehen, weiß Sophie Blaha präzise zu beschreiben: „Isoliert am eigenen Schreibtisch arbeiten kann man zu Hause auch. Weshalb sollte man dafür in die physische Arbeitswelt zurückkehren?“ Was aber zieht die Belegschaft dann in den Büroturm? „Der Mensch ist noch immer ein sehr soziales Wesen. Das haben wir drastisch in den Lockdowns bemerkt, als wir uns nicht sehen durften. Es ist also der soziale Austausch, die Kommunika­tion miteinander, die ins Büro locken kann.“ Dafür braucht es dort aber pas­sende Bereiche: „Wir müssen einfach Orte und Arbeitswelten zur Verfügung stellen, an und in denen sich die Menschen wohlfühlen und sie deshalb gerne aufsuchen.“ Solche schafft sie auf Anfrage mit Blaha Office – jenem Unternehmen, das sie gemeinsam mit ihrem legendären Vater Friedrich leitet.

Ob die an der renommierten Parsons School of Design ausgebildete Unternehmerin damit wieder so eine umfassende Revolution auslöst wie ihr Vater mit seinem Engagement für Ergonomie am Arbeitsplatz? Die Vorzeichen stehen gut. Denn: Die Blahas haben schon immer gewusst, wie Unternehmen Mitmenschen glücklich machen.

Der Erste, der dieses segensreiche Gespür in finanziellen Erfolg verwandelte, war ihr Großvater Franz. Mit 18 Jahren zog der Niederösterreicher nach Wien, startete eine Lebensmittellehre – und kaufte 1931 kurzerhand das Geschäft seines Lehr­herrn. Sein Sortiment umfasste, was die Arbeiterschaft in der Favoritner Nach­barschaft satt machte: Käse, Speck, Eier, Linsen, Bohnen und Rüben. Dazu natürlich Milch und Brot vom ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten Anker. Das kam so gut an, dass schon zwei Jahre später in den zweiten Bezirk expandiert wurde. Wegen der gutbürgerlichen Umgebung war das Sortiment deutlich urbaner und hoch­wertiger, es gab sogar Snacks. Zu dieser Idee inspirierten den Unternehmer Besuche im Theater: Dort war belegtes Gebäck als Pausenimbiss ein Renner. Wären nicht Faschismus und Weltkrieg dazwischen­gekommen, würde Österreich heute vielleicht bei Blaha statt Billa und Spar einkaufen.

Aber: Im streng an staatlichen Kalorienplänen orientierten Nachkriegs-Österreich war an Läden mit Spezereien kaum zu denken. Zudem war Blahas ehemaliges Marktgebiet in sowjetischer Hand. Also startete er in Linz neu. Dort eröffnete der mittlerweile 35-Jährige ein Geschäft für alles, was man zum Wiederaufbau brauchte. Damit war er erneut am Puls der Zeit. Zwei Jahre später hegte er das entschlossen keimende Tourismuspflänzchen mit bunten Sonnenschirmen und Gartenmöbeln. Mitte der Fünfziger ergänzten Polstermöbel für Gastronomie, Hotels und das heimatliche Wohnzimmer die Angebotspalette. Der Schritt zum Handel mit Büromöbeln war ein kleiner und wurde 1957 gemacht.

Freilich hatte die im Wirtschaftswunder zahlreich gewordene Konkurrenz ähn­liche Ideen. Was ihr allerdings fehlte, war das Marketingtalent des so flexiblen ­Unternehmers. Als etwa ein nicht enden wollender Winter das Wiener Messe­gelände als Hauptumschlagplatz für Gar­tenmöbel zuschneite, organisierte Blaha kurzerhand einen Blumencorso, der mit dem Frühling unter dem Jubel Tausender Schaulustiger in der Linzer Innenstadt Einzug hielt. Für Kitzbühel wiederum konstruierte er eine geschlossene und gemütlich ausgestattete Seilbahnkabine – damals eine aufsehenerregende Innova­tion, die Schlagzeilen ebenso generierte wie Nachfrage in Blahas Geschäft.

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Besprechungsräume sind für viele ein Ort des Schreckens. Blaha arbeitet mit Wohnzimmer-Atmosphäre dagegen an und schafft Zonen für Gemeinsamkeit.

Möbel statt Panzer

Jetzt fehlte nur mehr ein Platz für die Produktion, um bei wachsender Bestellflut auch pünktlich liefern zu können. Diese Lücke wurde 1960 geschlossen. Blaha kaufte eine fensterlose Ruine ohne Strom und Wasser, eine ehemalige Panzer­kaserne in Korneuburg, samt üppigem Grundstück. Dort produziert man noch heute. Allerdings keine Gartenstühle und Sonnenschirme, sondern Büromöbel.

Denn: Das Unternehmen Blaha wurde ­geteilt. Der Handel mit Gartenmöbeln ging 1971 an Tochter Hannelore Schönleitner, Sohn Fried­rich Blaha übernahm die Büromöbelsparte. Und wurde schnell zur Legende. Etwa mit dem von seiner Schwester Gabriele designten Showroom in der Wiener Porzellangasse, die Ende der 80er-Jahre Büromöbel nicht mehr als Stapelware in Lagerhallen inszenierte, son­dern als schicke Indoor-Landschaft in ­gestyltem Ambiente. Oder, ein paar Jahre später, als der Computer die Schreib­tische eroberte, mit zwei wissenschaft­li­chen Kom­pendien über Ergonomie. Dadurch wurde Blaha so etwas wie die Kompetenzzentrale für das gesunde Miteinander von Schreibtischarbeit und Ausführenden.

Den dritten Streich schildert Friedrich Blaha in Interviews als dramatischen Einschnitt: „1996 haben wir Blaha mit der Entwicklung einer neuen Produktionsphilosophie neu erfunden.“ Seither wird nicht mehr in großen Massen auf Lager gefertigt, sondern voneinander unab­hän­gige Teams arbeiten in Eigenverant­wortung Einzelaufträge ab. Der Vorteil: Lagerkosten fallen weg, die Mitarbeitenden identifizieren sich mit ihren Aufgaben – und geliefert kann innerhalb von neun Werktagen werden. Da sich die mittlerweile eingespielten Teams die Umsetzung der Aufträge selbst organisieren, haben die Führungskräfte mehr Zeit für Strategiearbeit, Neuausrichtungen und andere Projekte.

„Die Umstellung der Produktion war elementar und ist dafür verantwortlich, dass wir heute gut dastehen“, ist sich Sophie Blaha sicher. Sie trat 2020 nach ihrer Rückkehr aus New York ins Unternehmen ein. Damit ging ein Kindheitswunsch in Erfüllung: Sie war diejenige unter den acht Kindern in der Patchworkfamilie, die sich mit Abstand am intensivsten für das mittelständische Unternehmen für Office-Ausstattung im gehobenen Segment interessierte. „Wahrscheinlich auch, weil das Unternehmen das Lebensprojekt meines Vaters ist, alles andere hat er drum herum aufgebaut.“ Was ihr allerdings auch wichtig war: Erfahrung außerhalb der heimatlichen Komfortzone zu sammeln. Deshalb wechselte sie nach dem Studium an der Fachhochschule Wien der Wirtschaftskammer über den großen Teich, lernte bei renommierten Größen Design und Gestaltung und sammelte beim vielfach ausgezeichneten Raumgestalter Vede­rame / Cale architecture einschlägige Berufserfahrung.

Seit Mai 2024 bringt sie die gewonnenen Erkenntnisse als Co-Geschäftsführerin bei Blaha ein. Generationskonflikte gibt es deswegen nicht: „Mein Vater lässt mir freie Hand.“ Sogar die Übergabe ist schon fertig besprochen. „Aber erst war Corona, dann kamen Energiekrise, Inflation und Rezession.“ Launiger Nachsatz: „Auf Krisen bin ich gut gebrieft. Und bereit, endlich zu lernen: Wie geht eigentlich Boom?“

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„Wir sind der einzige Büro­möbelhersteller in Österreich, der nach dem Standard des Europäischen Umweltmanagements EMAS zertifiziert ist.“ – Sophie Blaha Geschäftsführung Blaha
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Blaha zeigt: Sogar die Teeküche kann in Unternehmen gemütlich sein. Es braucht nur die richtigen Möbel dafür.

Flexibel bleiben

Auch dieser Wunsch könnte bald in Erfüllung gehen. Mit Sophie Blaha entwickelt sich der Büromöbelhersteller zum ganzheitlichen Lösungsanbieter weiter: „Es braucht für gelungene Arbeitswelten viel mehr als nur schöne Möbel. Es geht um Licht, Teppiche, Vorhänge, Boden- und Wandgestaltung. Auch Haptik und Farben sind wichtig.“ Dazu gesellen sich die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Abteilungen: „Der Verkauf hat andere Needs als die Personalabteilung oder Konstruktion.“ Und: Die Gestaltung muss zur Unternehmenskultur passen. „Was nutzen Tischfußball und große Lounges, wenn ihre Nutzung nicht gerne gesehen wird?“

All das in tatsächlich beeindruckend schicke Lösungen zu gießen, ist eine bis heute unterschätzte Kernkompetenz von Blaha. Man muss ihr dafür nur freie Hand lassen. Dann, so verspricht sie, „schaffen wir Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität, die jeden schon beim Eintritt fühlen lassen: Hier möchte ich arbeiten oder kaufen.“ So wie im Headquarter von Blaha Office selbst, einer von den Architekten „Eichinger oder Knechtl“ entworfenen Landmark, die neben der Panzerkaserne errichtet wurde – und mit ihrer riesigen Bar in der Mitte das Gefühl eines trendigen Boutiquehotels vermittelt. Und noch dazu ökologische Ansprüche übererfüllt: Blaha bezieht Rohstoffe fast ausschließlich aus der Re­gion, dämmt Schallschutzelemente mit Hanf und produziert mit hohem Anspruch an Nachhaltigkeit. „Wir sind der einzige Büro­möbelhersteller in Österreich, der nach dem Standard des Europäischen Umweltmanagements EMAS zertifiziert ist“, erzählt Sophie Blaha stolz. Als typische Millennial denkt die 33-Jährige viel darüber nach, wie das Unternehmen die Zukunft bewältigt. Ziel sei jedenfalls, dass es in Familienhand bleibt. Dafür will sie das Unternehmen so stabil halten, „dass wir beweglich bleiben. Wir haben alle benötigten Dienstleistungen im Haus und sind dadurch sehr flexibel.“ Denn, das hat sie aus der Geschichte gelernt: Kommen Veränderungen, muss man aktiv reagieren können. Ihr Schluss daraus: „Ich will mich nicht festlegen, dass wir in zwanzig Jahren noch immer Arbeitswelten gestalten. Wir werden jedenfalls etwas mit Menschen, für eine Community tun. Aber ob das Feinkost, Haushaltswaren, Büromöbel sind oder etwas anderes ist, hängt von der Situation ab. Und vom Bedürfnis der Menschen.“

Zahlen & Fakten

Die Franz Blaha Sitz- und Büromöbel Industrieges. m. b. H. entstand 1971 aus der Trennung des 1931 gegründeten Handels­unternehmens gleichen Namens in zwei unabhängige Bereiche. Das Unternehmen für Büromöbel wird von Friedrich und seiner Tochter Sophie Blaha geleitet, seine Schwester Hanne­lore Schönleitner führt das gesellschaftsrechtlich klar getrennte Handelsunternehmen Blaha Gartenmöbel GmbH.

Mit 115 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ­erzielt das in Ostösterreich tief verwurzelte ­Büromöbelunternehmen etwa 17 Millionen Euro Umsatz pro Jahr, beliefert werden auch Händler im DACH-Raum. In Zukunft will man auch Hotellerie und Gastronomie mit Gestaltungskonzepten überzeugen.
Info: www.blaha.co.at