Dieser Anstieg hat selbst Experten überrascht. In den ersten fünf Monaten des Jahres ist der Preis für die Unze Gold um mehr als 25 Prozent gestiegen.Die Gründe dafür sind vielschichtig – und sie bleiben uns erhalten.
Text: Harald Fercher
Goldrausch und kein Ende in Sicht“, so oder zumindest ähnlich lässt sich die aktuelle Stimmung am Markt zusammenfassen. Die Rasanz, mit der sich der Goldpreis im heurigen Jahr entwickelt hat, lässt selbst Experten staunen. Reinhard Walz, Leiter Vertrieb und Marketing bei der Ögussa, gibt unumwunden zu: „Der steile Anstieg des Goldpreises war in der Tat schon 2024 beeindruckend, und obwohl wir eine positive Entwicklung erwartet haben, haben uns die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Anstiegs in den ersten fünf Monaten dieses Jahres doch etwas überrascht.“
Zur Erinnerung: 2024 hat sich die Unze Gold, gerechnet in US-Dollar, um mehr als 27 Prozent verteuert, in den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres waren es noch einmal mehr als 25 Prozent. Zeitweilig notierte die Unze sogar über 3.400 Dollar. Und das, nachdem sie erst Mitte März erstmals in der Geschichte über der psychologischen Marke von 3.000 Dollar aus dem Markt ging.
Der Trump-Schock
Viele Experten sehen in der Politik des aktuellen US-Präsidenten einen der Gründe für die Jagd nach dem Gold. Im aktuellen, jüngst erschienenen „In Gold We Trust“-Report (IGWT), der seit 19 Jahren zur Standardlektüre von Goldinvestoren zählt, ist gar vom „Trump-Schock“ die Rede. Reinhard Walz: „Die Politik des neuen US-Präsidenten hat zweifellos einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Goldpreises. Die als „erratisch“ bezeichneten Entscheidungen haben zu einer erhöhten Unsicherheit auf den globalen Märkten geführt, was die Nachfrage nach sicheren Anlagen wie Gold weiter anheizt.“
Trump allein kann es aber nicht sein. „Es herrscht viel Unsicherheit. Kriege, Inflation und Zölle tragen ihren Teil dazu bei. Da ist es kein Wunder, dass Anleger in Gold investieren, denn Gold gilt immer noch als sicheres Mittel zur Werterhaltung“, kommentiert Michael König, Geschäftsführer Deutsche Börse Commodities GmbH. Auch Reinhard Walz ortet die Hauptgründe „in einer Mischung aus geopolitischen Unsicherheiten, wirtschaftlichen Sorgen und der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken.“
Zentralbanken kaufen weiter zu
Apropos Zentralbanken, diese kaufen weiterhin zu. Seit der Trendumkehr im Jahr 2008 – bis dahin haben die Notenbanken ihre Goldbestände reduziert – sind die Bestände auf 36.197 Tonnen gestiegen (Ende 2024). In der Fiat-Währung Dollar ausgedrückt, entsprach dies zu Jahresanfang einem Betrag von rund 3,05 Billionen – mittlerweile liegt der Gegenwert bei 3,84 Billionen. Allein, all das in den Zentralbanken der Welt gelagerte Gold würde bei Weitem nicht ausreichen, um die Staatsverschuldung der USA abzudecken. Ende 2024 lag sie bei stolzen 39,8 Billionen Dollar oder 136 Prozent des BIP. Die hohe US-Verschuldung führt dazu, dass zahlreiche Länder ihr Geld aus US-Treasurys abziehen und in andere Anlagekategorien wie z. B. Gold stecken. China etwa, derzeit weltweit zweitgrößter US-Staatsanleihen-Gläubiger, hat in den letzten Jahren seinen Goldbestand sukzessive hochgefahren. Auch im ersten Quartal heuer haben die Notenbanken weiter zugekauft, wenngleich nicht mehr ganz so stark wie im vierten Quartal 2024, als sie 365,1 Tonnen erwarben. Laut World Gold Council (WGC) führte „eine deutliche Belebung der Zuflüsse in börsengehandelte Goldfonds zu einer Verdoppelung der Gesamtnachfrage nach Goldanlagen auf 552 Tonnen (+170 Prozent gegenüber dem Vorjahr), den höchsten Wert seit dem ersten Quartal 2022“. Insgesamt stieg die Goldnachfrage im ersten Jahresviertel um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der höchste Wert für ein erstes Quartal seit 2016.
Woher das Geld fürs Gold konkret kommt, ist hingegen schwer auszumachen. So meint etwa Michael König von der Deutschen Börse Commodities, die mit dem Xetra Gold ETC ein erfolgreiches Produkt am Markt positioniert hat: „Eine konkrete Aussage zur Nachfrage ist dagegen schwierig. Institutionelle Anleger, die etwa zwei Drittel unserer Kunden ausmachen, haben in den letzten zwei Jahren insgesamt ihre Goldpositionen reduziert, was auch auf das gestiegene Zinsniveau zurückzuführen ist. Privatanleger hingegen kaufen weiterhin Gold, selbst bei einem aktuellen Preis von etwa 90 Euro pro Gramm.“ In puncto physisches Gold hält Reinhard Walz von der Ögussa fest: „Sowohl institutionelle Anleger als auch Notenbanken haben ihre Goldbestände erhöht, um sich gegen wirtschaftliche und politische Risiken abzusichern. Auch die Nachfrage von Privatanlegern ist extrem hoch, da Gold als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten gilt.“

„King of Debt“ als Antreiber
Um die Frage zu klären, wie es mit dem Goldpreis weitergeht, wagen wir noch einmal einen Sprung über den großen Teich, wo der selbsternannte „King of Debt“ Donald Trump die US-Staatsverschuldung in den Griff bekommen will. Dazu beitragen sollen u. a. radikale Einsparungen in der US-Administration. Ursprünglich sollte allein eine Behörde zum Aufspüren bürokratischer Ineffizienzen, bekannt unter dem Begriff DOGE (Department of Government Efficiency), zu jährlichen Einsparungen von einer Billion US-Dollar führen. Der von Trump beauftragte DOGE-Chef Elon Musk ruderte zuletzt allerdings zurück und nannte ein Einsparpotenzial von 155 Milliarden Dollar. „Dass DOGE-Aktivitäten die Überschuldungsspirale nachhaltig stoppen, erscheint aktuell zweifelhaft“, heißt es im IGWT-Report. Laut den Autoren gibt es zudem Hinweise darauf, dass das Trump-Team versuchen könnte, die US-Wirtschaft in eine sogenannte „Detox-Rezession“ zu schicken. Eine solche würde den Druck auf die Fed erhöhen, mit einer gelockerten Geldpolitik gegenzusteuern – sprich die Zinsen zu senken. Keine schlechten Aussichten für die Entwicklung des Goldpreises, so die IGWT-Autoren: „So negativ eine Rezession auch ist, der Goldpreis erhält durch sie in den USA tendenziell Rückenwind, wie unsere Analysen in den vergangenen Jahren zeigten.“
Tatsächlich hat sich Gold seit Beginn des Jahres 2020 – Stichwort Corona-Rezession – mehr als verdoppelt. Für die Autoren des IGWT-Reports ist die im Jahr 2020 von ihnen angekündigte „goldene Dekade“ jedenfalls voll im Gange. Bis zum Ende dieser Periode soll der Goldpreis auf 4.800 Dollar steigen, meinen die Analysten – realistisch? Reinhard Walz von der Ögussa: „Diese Einschätzungen basieren auf der Annahme, dass die geopolitischen Spannungen, wirtschaftlichen Unsicherheiten und die Nachfrage nach sicheren Anlagen weiterhin hoch bleiben. Während solche langfristigen Vorhersagen immer mit Unsicherheiten behaftet sind, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Goldpreis diese Marke erreichen könnte.“ Michael König will das Ziel nicht kommentieren, hält aber fest: „In der Vergangenheit war Gold stets ein gewisser Inflationsschutz und konnte dadurch auch die Kaufkraft erhalten. Hinzu kommt: Gold ist praktisch unabhängig von anderen Anlageklassen und sichert das Portfolio ab.“ Die goldene Dekade scheint noch nicht vorbei zu sein, auch wenn Rücksetzer in jedem Bullenmarkt inkludiert sind.