Corporate Ventures

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„Man muss auch außerhalb des eigenen Unternehmens nach neuen Innovationschancen suchen.“ – Roland Riepl – Greiner Innoventures

Was bleibt vom Hype?

Jahrelang galten Start-ups als Allheilmittel für Innovationsmüdigkeit. Auch Unternehmen investierten scharenweise. Dann kam die Rezession. Ist Corporate Venturing noch zeitgemäß?
Text: Susanne Mayer

Die Coronajahre brachten nicht nur Homeoffice und WC­Papier-Memes, sondern auch einen In­ves­titionsboom. Venture Capitals (VCs) wussten kaum, wohin mit dem Geld, Start-ups fuhren Rekordfinanzierungs­runden ein. Heute weiß man: Viele waren überbewertet.

2021 stieg mit Bitpanda endlich auch Österreichs erstes Unicorn in den Start-up-Olymp auf, ­vielen „Soonicorns“ wurde Großes prophezeit. In dieser Auf­bruchs­stimmung entdeckten auch öster­rei­chi­sche Unternehmen Corporate Ven­tures für sich und begannen selbst, in Start-ups zu investieren. Das Problem dabei: „Es war ein Trend, ein Hype ohne Strate­gie. Die Start-ups passten nicht zu den Unternehmen, oder die Unter­neh­men waren auf die Zusammenarbeit nicht vorbereitet“, analysiert Selma Prodanovic, Österreichs prominenteste Angel-Inves­torin. Wozu also Corporate Venture?

Win-win in Theorie und Praxis

Für Start-ups liegen die Vorteile von Corporate-Venture-Aktivitäten auf der Hand: Geld, Ressourcen, Netzwerke, Mentorship, Produktionsfazilitäten und Vertriebskanäle – all das kommt bei einer Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen plötzlich in Griffweite. Unternehmen wiederum versprechen sich eine gesteigerte Innovationskraft oder die Erschließung neuer Marktsegmente, so Prodanovic. Bereits etablierte Start-ups, sogenannte Scale-ups, zu kaufen wie einst Adidas den Linzer Lauf­tracker ­Runtastic, ist eher eine Seltenheit. Lisa Pallweber, Investorin beim umtriebigen Angel Investor Hansi Hansmann, ergänzt die Motive von Unternehmen um das ­Client-Venture-Modell: „Hier werden Unter­nehmen zu den ersten Pilotkunden der Start-ups. Als Unternehmen kann man damit stark beeinflussen, in welche Richtung sich die Produkte des Start-ups entwickeln sollen.“ Beispiele hierfür sind die ÖBB und der Mobilitätsanbieter AVL, die sich mit Start-ups maßgeschneiderte Lösungen zukaufen.

Wer macht’s in Österreich?

Österreich ist kein Start-up-Musterland, einige Pioniere haben sich an der Venture-Front jedoch hervorgetan: Der Versicherungskonzern Uniqa investierte jahrelang mit Uniqua Ventures in digi­tale Lösungen, sowohl im Gesundheits­bereich als auch darüber hinaus. Bitpanda, Wayflyer und der Klarna-Konkurrent Twisto gehörten zum Portfolio. Ende 2024 wurde Uniqua Ventures eingestellt.

Auch der Energieanbieter Verbund mischt mit Verbund X im Corporate-Venture-­Capital-Game mit und gelangt so schnel­ler an Innovationen, die die Energiewende vorantreiben. Ohne solide Strategie und klare Ziele geht es mit Venture-Projekten jedoch schnell bergab.

Das Start-up Movopack und Greiner Packaging entwickeln gemeinsam Ideen für kreislauf-fähige Verpackungen.
Das Start-up Movopack und Greiner Packaging entwickeln gemeinsam Ideen für kreislauf-fähige Verpackungen.

Aufstieg und Fall der Accelerators

In den Anfangsjahren des Hypes weckten Accelerators und Incubators große Erwartungen bei Gründern. Während Incubators auf Early-Stage-Start-ups abzielen, sollen Accelerator-Programme Unternehmen mit fortgeschritteneren Start-ups ­zusammenbringen, um deren Skalierung zu beschleunigen. Dies kann intern oder extern geschehen. Ein Beispiel für das Scheitern externer Accelerators ist der WeXelerate Tower in Wien. Start-ups erhielten von Unternehmen mietfrei Räumlichkeiten, nutzten diese aber kaum. Stattdessen reisten Gründer aus dem Ausland maximal zum Kennenlernen an, erledigten den Rest dann aber remote. Unter­nehmen, die auf Innovation durch Co-Working setzten, wurden enttäuscht. Das Konzept hob nie richtig ab, die Bedürfnisse von Start-ups und Unternehmen konnten vom Betreiber nicht gematcht werden. Heute beherbergt WeXelerate nur noch etablierte Unternehmen.

„Wer beim Säen spart, verlagert das Problem in die Zukunft – in potenzierter Form.“

– Nikolaus Franke –

Direktor des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der WU Wien

Orientierungsphase

Auch um Palfingers Incubator P21st ist es ruhig geworden. Dabei hatte der Salzburger Maschinenbauer große Pläne: Kreislaufwirtschaft ankurbeln, disrup­tive Ideen fördern, neue Marktsegmente erschließen. Mit „The Hub“ schuf man sich in Wien gleich einen feschen Standort mit dazu. Während Palfingers Aktien heute boomen, dürfte am Hub-Konzept zurzeit geschraubt werden. 2022 wollte man noch von 40 auf 100 Angestellte im Hub wachsen. Gleichzeitig kam es welt­weit zu Zinsanstiegen und starken In­­­vestitionsrückgängen. Auf Anfrage gibt sich Palfinger zugeknöpft. Mehr als „Erfolgreiche Innovationhubs benötigen immer wieder einmal Phasen der Orientierung, um für künftige Herausforderungen noch besser aufgestellt zu sein“ ist dem Kranhersteller nicht zu entlocken. Sind Uniqas Ausstieg und Pal­fin­gers Orientierungsphase Zeichen für den Verfall von Corporate Ventures? Nikolaus Franke, Direktor des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien, wider­spricht: „Kluge Manager inter­pretieren Innovation nicht als Kostenfaktor, sondern als Schlüssel­investition. Wer beim Säen spart, ver­lagert das Problem in die Zukunft – in potenzierter Form.“ Wie gelingt also Corporate Venture?

Innovation durch Integration

Ein Positivbeispiel legt Greiner mit „Inno­ventures“ vor. Der Kunststoff­spe­zia­list will innovative, nachhaltige Lö­sungen für die Bereiche Verpackung, Medizinprodukte und Schaumstoffe. ­Innoventures-Chef Roland Riepl sieht es daher „fast schon als eine Verpflichtung, auch außerhalb des eigenen Unternehmens nach neuen Innovationschancen zu suchen“. Die Integration der Start-ups ins Unternehmen soll den langfristigen Erfolg der Greiner Gruppe sichern. Mit seinem sechsköpfigen Team setzt Riepl auf das Client-Venture-Modell und bemüht den Vergleich von Unternehmen als schwerfällige Tanker und von Start-ups als wendige Schnellboote. Eines dieser Schnellboote ist das Mailänder Start-up Movopack, das wiederverwertbare Ver­packungen für den Onlinehandel herstellt. Gemeinsam will man den Über­gang zu kreislauffähigen Verpa­ckungen beschleunigen.

An der Zusammen­arbeit mit Greiner schätzt man bei Movopack laut CEO Tomaso Torriani den Zugang zu „tiefem Branchenwissen, globaler Marktpräsenz und fortschrittlichem Know-how im Verpackungsdesign. Im Gegenzug bieten wir Greiner einen Sitz in der ersten Reihe, wenn es um die Zukunft der Verpackung geht – Wieder­verwendbarkeit, Reverse Logistic­s und Refurbishment –, und helfen mit, bei der Umstellung auf Kreislauflösungen die Nase vorn zu haben.“ Kennengelernt hat man einander online, nach einer Stippvisite in Mailand war schnell klar: Die Stärken beider Partner könnten zu echter Innovation im Verpackungsbereich führen. Trotzdem hilft ein Playbook für die Zusammenarbeit von Tanker und Schnellboot entscheidend.

„Das Unternehmen muss sich ehrlich fragen, ob es Innovation auch in der Praxis umsetzen kann.“– Selma Prodanovic – 
Angel Investor und Social Futurist
„Das Unternehmen muss sich ehrlich fragen, ob es Innovation auch in der Praxis umsetzen kann.“
– Selma Prodanovic –
Angel Investor und Social Futurist

Wie Corporate Venture klappt

Gibt es Regeln, an die sich Unternehmen halten sollten, wenn sie in ein Start-up investieren? „Definitiv“, sagt Selma Prodanovic. „Das Unternehmen muss sich ehrlich fragen, ob es Innovation nicht nur auf dem Papier will, sondern auch in der Praxis umsetzen kann.“ Zu oft sei die Arbeitsweise von Start-ups für die Unternehmen zu schnell und zu frei von Denkverboten. „Einige Gründer erzählen uns, dass sie nach der Übernahme regelrecht eingemauert wurden“, ergänzt Nikolaus Franke von der WU das Problem. Konzerne kaufen sich in Start-ups ein, doch ohne klar definierte Prozesse und kul­turelle Übersetzungsleistung zwischen Start-up und Konzern drohe das Innovationspotenzial zu verpuffen. Das lähmt und frustriert beide Seiten. ­Movopack-CEO Torriani unterstreicht die Notwendigkeit der Unabhängigkeit von Start-ups als einziges Mittel gegen unternehmensseitige Innovationsbremser. Die Investorin Lisa Pallweber warnt ­Start-ups außerdem vor starren Exklu­sivitätsklauseln und Unternehmen vor Schnell­schüssen: „Venture Capital hat langfristige Ziele. Die ersten fünf Jahre gibt es nur minimale Rendite, wenn überhaupt.“ Das sei aber okay. Denn bei Corporate Ventures sollte ohnehin die strategische Zusammenarbeit im Fokus stehen, nicht der große Exit. Ist man darauf nicht vorbereitet, wird es irgend­wann schwer, die Kosten vor dem Vor­stand zu begründen. Das Märchen vom agilen Start-up, das den trägen Kon­zern ohne viel Zutun rettet, scheint also aus­geträumt. Wer echte Innovation will, muss sie als strate­gische Investition be­greifen und die Zu­sam­men­arbeit mit Start-ups aktiv gestalten – sonst bleibt vom Hype nur ein teures Missverständnis.