Nachhaltig aus der Wohnbaukrise

Kostendruck, Klimaziele, Konzeptwandel: Angesichts der weiterhin angespannten Marktlage setzt die österreichische Immobilienbranche auf strategisches ­Umdenken – mit Nachhaltigkeit als zentralem Erfolgsfaktor.  Text: Rosi Dorudi

Die Immobilienbranche steht vor großen Herausforderungen: Steigende Kosten, strengere Vorschriften und Hürden in der Finanzierung von Wohnbau bremsen viele Projekte. Gleich­zeitig bieten die Sanierungswelle, Tiefbau-Investitionen und die Digitalisierung neue Chancen. Für Karina Schunker, Geschäfts­führerin von EHL Wohnen, liegt der Schlüs­sel in der Flexibilität: „Entscheidend ist die Anpassungsfähigkeit eines Unter­neh­­­mens an sich verändernde Markt­be­din­gungen.“ Ein sensibles Gespür für neue Kundenbedürfnisse und die Fähig­keit, sich entsprechend neu auszurichten, sind dabei essenziell. „Regelmäßige und proaktive Marktanalysen helfen, Chancen frühzeitig zu erkennen und mit gezielten Maßnahmen darauf zu reagieren.“ So kann auch in heraus­fordernden Zeiten Wachs­tum gelin­gen – gestützt durch strategische Weitsicht und den Einsatz digitaler Technologien.

Integrierter Ansatz

„Der Nachhaltigkeitsaspekt ist dabei stets ein zentraler Faktor in allen Entschei­dungs­prozessen“, so Schunker. Angesichts der aktuellen Lage gewännen vor allem die Revitalisierung von Bestandsimmo­bilien sowie die städtische Nachver­dichtung zu­neh­mend an Bedeutung. „Ins­besondere in Wien, wo der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum weiterhin steigt“, fügt sie hin­zu. Während Neubauprojekte die Mög­lich­keit bieten, moderne, ­ener­gieeffiziente und zukunftsorientierte ­K­on­zepte gezielt umzusetzen, können ­Bestandsgebäude durch Sanierung, Um­nutzung und Erweiterung eine ressourcenschonende Alternative zu dringend benötigtem Wohnraum schaffen – ohne zu­sätzliche Flächen zu versiegeln. „Ein integrierter Ansatz, der beide Strategien geschickt vereint, reduziert nicht nur den Leerstand, sondern stellt gleichzeitig ökologische und ökonomische Effizienz in den Mit­telpunkt“, konstatiert Schunker. Ent­schei­dend dabei sind intelligente Grundrisse und flexible Raumlösungen, die Wohnen, Arbeiten und Freizeit vereinen und Gebäude zukunftsfit machen.

„Regelmäßige Marktanalysen helfen, Chancen frühzeitig zu erkennen.“ – Karina Schunker – Geschäftsführerin EHL Wohnen
„Regelmäßige Marktanalysen helfen, Chancen frühzeitig zu erkennen.“ – Karina Schunker – Geschäftsführerin EHL Wohnen
„Setzen auf nachwachsende oder recycelte Materialien wie Holz und Stahl.“ – Hannes Speiser – Prokurist Winegg Realitäten
„Setzen auf nachwachsende oder recycelte Materialien wie Holz und Stahl.“ – Hannes Speiser – Prokurist Winegg Realitäten

Langfristig denken, nachhaltig bauen

Die allgegenwärtige ökonomische und ökologische Notwendigkeit prägt das heutige Baugeschehen und fordert intelligente Planung: „Wir setzen auf nachwachsende oder recycelte Materialien wie Holz und Stahl, nutzen Geothermie und Fotovoltaik und integrieren digitale Tools in den ­Planungsprozess“, erzählt Hannes Speiser, Prokurist des Zinshausentwicklers und Bauträgers Winegg Realitäten. Künstliche Intelligenz spiele dabei eine zunehmend wichtige Rolle: „Sie kommt unter anderem bei der Analyse von Marktdaten, in der Planung mit BIM (Building Information Modeling) sowie im Asset-Management zum Einsatz.“ Trotz herausfordernder Marktbedingungen treibt das Unter­neh­men seine Entwicklungsaktivitäten konse­quent voran. „Wir realisieren Projekte mit echtem Mehrwert für Bewohner und In­ves­toren – stets mit Blick auf die archi­tek­tonische Identität Wiens“, erklärt Speiser. Dazu zählten sowohl Neubauten mit maxi­maler Energieeffizienz als auch sensible Modernisierungen im Bestand. Nachhal­tig­keit zeige sich dabei nicht nur im öko­logischen Anspruch, sondern auch in langfristig angelegten Finanzierungs­­model­len, die Stabilität und Planbarkeit schaf­fen. „Aktuell profitieren wir von einem rückläufigen Zinsumfeld, das neue Impulse für den Wohnungsmarkt schafft“, so Speiser. Ein zentrales Thema für das Unternehmen bleibe die intelligente Nachverdichtung: Ungenutzte Potenziale im Bestand sollen gehoben werden, ohne dabei Grünraum zu verlieren.

Wohnraummangel treibt Innovation

Als Spezialist für die Entwicklung und Vermittlung von Immobilienprojekten konzentriert sich auch allora Immobilien auf die nachhaltige Umgestaltung von Grundstücken und Bestandsgebäuden mit dem Anspruch, urbane Lebens­räume mit Mehrwert zu schaffen. Inno­vative Ansätze stehen dabei im Mittelpunkt: „Bei unseren Projek­ten setzen wir uns intensiv mit neuen Ener­gie­konzepten, alterna­tiven Mobi­li­tätslösungen, innovati­ven Bau­stoffen und Aspekten der Kreis­­laufwirtschaft auseinander, um Net-Zero-Immobilien zu realisieren“, erklärt Geschäftsführer Peter Ulm. Obwohl die Nach­frage nach leistbarem Wohnraum ungebrochen hoch sei, werde in Österreich aktuell viel zu wenig ­gebaut: „Wir laufen auf eine massive Unter­versorgung zu“, warnt er. Um gegenzu­steuern, müsse die öffentliche Hand rasch handeln: „Neue Stadtent­wicklungsgebiete müssen schneller in Umsetzung gebracht, Bauverfahren ­ver­kürzt und Bauvor­schrif­ten so gestaltet werden, dass Wohnraum wieder günstiger hergestellt werden kann.“ Nur so lasse sich das Wohnungs­an­gebot wirksam und nachhaltig erhö­hen. Der Trend zu kom­pakteren, effizient geschnittenen Woh­nungen sei vor allem eine Folge steigender Kosten – und damit eng an das verfügbare Budget der Käufer und Mieter geknüpft. „Am Ende steht die Leistbarkeit im Vor­der­grund“, sagt Ulm. Sie bestimme maß­geblich die Woh­nungs­größen. „Auf diese veränderten Anforde­rungen reagieren wir, indem wir effiziente Grundrisse ent­wickeln und unsere Pro­jekte so gestalten, dass sie den unter­schiedlichen Lebens­realitäten und Bud­gets gerecht werden.“

„Am Ende steht die Leistbarkeit im Vordergrund.“ – Peter Ulm – Geschäftsführer allora Immobilien
„Am Ende steht die Leistbarkeit im Vordergrund.“ – Peter Ulm – Geschäftsführer allora Immobilien
„Durch Fixzins-Vereinbarungen schaffen wir Planungssicherheit.“ – Mario Bruckner-Simon – Geschäftsführer BSP Immobilien
„Durch Fixzins-Vereinbarungen schaffen wir Planungssicherheit.“ – Mario Bruckner-Simon – Geschäftsführer BSP Immobilien

Verlässlichkeit überzeugt

Qualität vor Quantität, durchdachte Projekte mit Substanz, ein hoher Eigenka­pitalanteil sowie der Mut, antizyklisch zu agieren, ist die Unternehmensphilosophie der 3SI Immogroup. „Als Familienunternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung wissen wir, dass Verlässlichkeit und nachhaltige Entwicklung gerade in heraus­fordernden Zeiten überzeugen“, betont Michael Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter. „Nachhaltigkeit ist für uns dabei kein Schlagwort, sondern ein zentrales Leitprinzip – sowohl im Neubau als auch bei der Revitalisierung von Gründerzeithäusern.“ Im Bereich Altbau liege der Fokus auf der stilvollen und ressourcenschonenden Sanierung historischer Substanz. Dabei werden nicht nur wertvolle Baumaterialien wie Türen, Geländer oder Parkettböden weiterverwendet, sondern durch Erhaltung bestehender Strukturen auch CO₂-Emissionen reduziert und Bodenversiegelung vermieden. „Unser Ziel ist es, verantwortungsbewusstes Bauen mit architektonischer Qualität und hoher ­Lebensqualität zu verbinden.“ Um das Wohnungsangebot zu erhöhen, brauche es einen pragmatischen Zugang zur Nachverdichtung, schnellere Bewilligungs­verfahren sowie eine Reform der Wohnbauförderung, die Zinsen und Baukosten berücksichtigt, ist Schmidt überzeugt. Ebenso sollten bestehende Hürden im Mietrecht überdacht werden, um mehr Angebot zu schaffen. „Leistbarer Wohn­raum entsteht nur dort, wo Politik, Ver­waltung und Bauträger gemeinsam lösungsorientiert handeln.“ Ziel sei es, für jede Zielgruppe das passende Angebot zu schaffen – ob kompakte Appartements für Singles, großzügige Familienwohnungen oder attraktive Einheiten für Anleger.

Stabilität durch Pragmatismus

Spezialisiert auf Zinshäuser sowie Wohn-und Gewerbeimmobilien, ver­mittelt ­Arnold Immobilien erfolgreich ­lukrative Immobilieninvestments. In bewegten Markt­­phasen baut Geschäftsführer Markus Arnold besonders auf Stabilität und Pragmatismus: „Gute Ideen setzen wir nur um, wenn sie auch finanziell trag­bar sind. Andernfalls schieben wir sie zurück. Diese Disziplin gibt uns die nötige Flexibilität, ohne dabei unsere langfristigen Ziele aus den Augen zu verlieren.“ Mit diesem Ansatz gelin­ge es dem Unternehmen, sich auch unter schwierigen Rahmenbedingungen zu be­haupten. Die anhaltend hohe Wohn­rau­m­nachfrage sieht Arnold als Chance: „Wir bieten ­unseren Kunden ein breites Spek­trum an Verwertungs- und Finan­zie­rungs­möglichkeiten und setzen dabei zunehmend auf innovative Modelle wie Forward Funding – ein Thema, das nun auch für Makler immer relevanter wird.“ Verträge dieser Art ermöglichen Investoren den frühzeitigen Einstieg in Projekte und sichern ihnen den Erwerb der Immobilie noch vor deren Fertigstellung.

Ein klarer Trend, den er in aktuellen Projekten beobachtet, ist die wachsende Nachfrage nach kleineren Wohneinheiten: „Effiziente Grundrisse und multifunktionale Wohnflächen stehen hoch im Kurs und werden gezielt in unserer Projektentwicklung berücksichtigt“, betont der Geschäftsführer. Der bewusste Umgang mit Res­sourcen und wirtschaftliche Tragfähigkeit bilden dabei die Basis für langfristig erfolgreiche Investments: „Grünflächen, Nahversorgung und soziale Infrastruktur gehören für uns zum Gesamtkonzept, um auch weiterhin ur­bane Räume zu schaffen, die nicht nur funktional, sondern auch nachhaltig und sozial lebendig sind.“

„Unser Ziel: ­verantwortungs­bewusstes Bauen mit architektonischer Qualität und hoher Lebensqualität zu verbinden.“ – Michael Schmidt – 3SI Immogroup
„Unser Ziel: ­verantwortungs­bewusstes Bauen mit architektonischer Qualität und hoher Lebensqualität zu verbinden.“ – Michael Schmidt – 3SI Immogroup

Bauherrenmodelle trotzen dem Markt

Trotz stagnierendem Immobilienmarkt, rückläufigem Neubau und strengerer Kreditvergaberichtlinien bleiben Bauherrenmodelle ein interessantes Anlageinstrument. „Natürlich hat die aktuell schlechte Grundstimmung in Bezug auf Immo­bilien­veranlagungen auch den Absatz von Bauherrenmodellen beeinflusst“, erklärt Walter Neumann, Geschäftsführer des Veran­lagungsunternehmen Valuita. „Aller­dings bei Weitem nicht so stark wie etwa bei klassischen Ertragswohnungen.“ Grund dafür sei die anhaltend hohe Nachfrage nach leistbarem Wohnraum. „Sie bildet das stabile Fundament für diese Finanzierungsform – ergänzt durch attraktive steuerliche Optimierungsmöglichkeiten, die Investoren weiterhin ansprechen.“

Bauherrenmodelle bieten jedoch mehr als steuerliche Vorteile: „Durch die Kombination aus öffentlicher Förderung, Mietpreisdeckelung und dem Fokus auf langfristige Vermietung können Bauherrenmodelle einen konkreten Beitrag zur Schaffung leistbaren Wohnraums leisten.“ Gerade durch die Mobilisierung privaten Kapitals werde ein Segment gestärkt, das hohe soziale Relevanz besitze.

Um das Modell noch zukunftsfähiger zu gestalten, setzt Valuita auf neue Ansätze: „In Zukunft wird es entscheidend sein, Bauherrenmodelle stärker in Richtung Nachhaltigkeit und ESG-Konformität ­weiterzuentwickeln.“ Ein weiterer positiver Faktor sei die aktuelle Zinspolitik. „Die zuletzt sinkenden Zinsen schaffen wieder ein günstigeres Umfeld für Finanzierungen. In Kombination mit den inflationsbereinigt gesunkenen Immobilienpreisen im Neubausegment ergibt sich derzeit ein idealer Investitionszeitpunkt“, erklärt Neumann. Bauherrenmodelle zeigten sich somit als krisenresilientes Investment mit gesellschaftlichem Mehrwert – gerade in herausfordernden Zeiten.

„Wir setzen zunehmend auf innovative Modelle wie Forward Funding.“ – Markus Arnold – Geschäftsführer Arnold Immobilien
„Wir setzen zunehmend auf innovative Modelle wie Forward Funding.“ – Markus Arnold – Geschäftsführer Arnold Immobilien
„Bauherrenmodelle tragen konkret zur Schaffung leistbaren Wohnraums bei.“ – Walter Neumann – Geschäftsführer Valuita
„Bauherrenmodelle tragen konkret zur Schaffung leistbaren Wohnraums bei.“ – Walter Neumann – Geschäftsführer Valuita

Strategien gegen Knappheit

Auch BSP-Immobilien setzt auf steuer­optimierte Bauherrenmodelle, die attraktive Renditen für Investoren bieten und gleich­zeitig nachhaltigen Wohnraum schaffen. „Weitblick und antizyklisches Inves­titionsverhalten sind entscheidend für den Erfolg“, betont Geschäftsführer Mario Bruckner-Simon. Während viele Mitbewerber in Phasen überhitzter Preise intensiv zukauften, agierte BSP Immobi­lien zurückhaltend. „Jetzt, da das Preis­niveau wieder attraktive Investitions­möglich­kei­ten bietet, erhöhen wir unsere Kauf­akti­vitäten gezielt.“

Dieser Ansatz ermögliche es dem Unternehmen, auch in schwierigen Markt­phasen nachhaltiges Wachstum zu ­generieren. Angesichts der aktuellen ­Zinsschwankungen setzt BSP Immobilien ­bewusst auf Fixzinsvereinbarungen für ­kurz- und langfristige Finanzierungen. „Dadurch schaffen wir Planungssicherheit und schützen uns vor unkalkulierbaren Kostensteigerungen.“ Auch bei den ­Wohnkonzepten geht das Unternehmen seinen eigenen Weg: Statt ausschließlich auf ­kleinere, effizientere Grundrisse zu ­setzen, bietet BSP Immobilien bewusst unterschiedliche Wohnungsgrößen an, um ­verschiedene Zielgruppen bedienen zu können.

Ökologie steigert Wirtschaftlichkeit „Durch den Einsatz von Fotovoltaik und Wärmepumpen reduzieren wir zudem nicht nur den CO₂-Fußabdruck unserer Projekte, sondern steigern gleichzeitig deren langfristige Wirtschaftlichkeit“, so Bruckner-Simon. Zudem nutzt das Unternehmen gezielt Baulücken für seine Projekte, um den Flächenverbrauch zu mi­nimieren und natürliche Ressourcen zu schonen. Für die Zukunft sieht der ­Ge­schäftsführer besonders viel Potenzial in energieautarken, grünen und gut vernetzten Stadtvierteln: „Lebenswerte ­Quar­tiere entstehen durch exzellente Ver­kehrs­anbindung, durchdachte Nachverdichtung, ausreichend Grünflächen und kurze Wege zwischen Wohnen und Arbeiten“, ist Simon-Bruckner überzeugt. „Diese ganz­heitliche Vision vereint Ökologie, Soziales und Wirtschaftlichkeit und kann die Stadtentwicklung der Zukunft prägen.“